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Das Land der unbegrenzten Entfernungen
(erschienen in MOTALIA Nr. 115/116 1998)

 
Wer hat nicht schon mal daran gedacht, die ewigen Highways der USA unter seine Räder zu nehmen, bekannte Routen wie die 66, die 1 an der Küste oder einmal quer über die Rockies. Namen wie Death Valley, Las Vegas, Grand Canyon und viele andere tauchen sofort auf, wenn man sich an die Planung macht. Wenn man schon mal hier ist, sollte man auch seinen Jahresurlaub hier verbringen, so dachten wir, und nahmen uns vor, das alles zu erkunden. Wir hatten fünf Wochen Zeit, und wir Naivlinge meinten, das sollte doch reichen für zu erwartende 10.000 Kilometer. Wir wollten eine große Schleife im Uhrzeigersinn von Detroit aus fahren und dabei die Staaten Texas, Kalifornien und Washington als Eckpunkte nehmen.

Erstes Ziel unserer Reise ist die Guzzi- Ralley in Bridgeport/ Indiana, wo wir nach 670 stupiden Highway- Kilometern ankommen. Es ist ein kleines Treffen von ca. 40 Leuten, mit von der Partie nur 4 Frauen, die mit eigenem Motorrad angerreist sind, so gewinnt Susann den Preis als "Longest distance female". Wir lernen ein paar nette Leute kennen, die uns noch Tips für unsere Reise geben, und erfahren von den "covered bridges", die es in der Gegend geben soll. Warum diese Brücken überdacht sind, kann uns niemand so genau sagen, eine Erklärung ist, daß sie früher Schutz vor Witterungen boten. Vier von insgesamt 15 "covered bridges" schauen wir uns an, bevor es weiter Richtung Springfield/ Missouri geht, wo wir am Abend von unserem Freund Richard erwartet werden.

Auf dem Weg liegt allerdings noch St. Louis, und wir wollen uns die Zeit nehmen, den "Gateway Arch"- das Tor zum Westen - aus der Nähe zu betrachten. Dabei fallen uns die Unmengen von Harleys auf, die hier unterwegs sind. Lange brauchen wir aber nicht zu grübeln, was hier wohl lossein könnte, das Event ist schnell gefunden. St. Louis ist eine Etappe der Sternfahrt nach Milwaukee, die Harley- Fahrer anlässlich des 95. Geburtstages von H.D. organisiert haben. Es ist viel Volk auf den Beinen und wir schauen uns ein bisschen um.  Lustig, wir werden mehrmals gefragt woher wir kommen, mit unseren Jacken, Lederhosen und Stiefeln fallen wir wohl etwas aus dem Rahmen. Die Pizza, mit der uns Richard empfängt ist lecker. Leider regnet es am nächsten Tag und aus unserem gemeinsamen Tagesausflug in die Ozark-Mountains wird nichts. Zum Glück haelt das schlechte Wetter nur diesen einen Tag an. Wir beschließen, als Entschädigung sozusagen, auf unserem Weg nach Oklahoma einen Abstecher nach Arkansas zu machen und so die "Ozarks" wenigstens zu streifen.


Cadillac
                Ranch bei AmarilloOklahoma ist gar nicht "soooo langweilig", wie uns alle sagten. Die Landschaft ist hüglig und üppig grün, und die alten, verschlafenen Orte entlang der Route 66 finden wir ganz charmant. In Tulsa legen wir eine Pause ein, unser Reiseführer schwärmt von der schönen Art- deco- Architektur, die sich bei genauem Hinsehen auf ganze drei Häuser beschränkt.

Texas empfängt uns mit Weizenfeldern, Rindern und den dazugehoerigen Weiden, es entspricht ganz dem Klischee, wir kommen sogar durch einen Ort mit dem passenden Namen "Pampa". Hauptattraktion in der Gegend ist die Cadillac-Ranch bei Amarillo, die wir erst nach mehrmaligem Fragen finden, da die Ranch wegen dem Bau einer Strasse umverlegt wurde. Auf einem Stoppelfeld stehen sie dann also, zehn, halbeingegrabene und bunt besprayte Cadillac's, schnell ein paar Fotos gemacht und weiter, es ist zu heiß um länger irgendwo rumzustehen.

Schlagartig ändert sich die Landschaft als wir nach New Mexico reinfahren, es geht über ein Hochplateau mit spärlichem Bewuchs, hier spürt man den kräftigen Wind richtig, der uns seit dem Beginn unserer Reise entgegenbläst. Von Tucumcari aus fahren wir Richtung Santa Fe, es ist so heiß, daß ich mich dazu verführen lasse ohne Jacke zu fahren. Aber nicht lange, denn unter Susanns Pulli verfängt sich irgendein gemeines Insekt und sticht ein paar Mal. Nördlich von Santa Fe soll es einen Zeltplatz geben, doch enttäuscht stellen wir fest, dass er nicht mehr existiert. Schade eigentlich, uns gefällt es gut hier, aus einer hellbraun- rötlichen Sand- und Steinlandschaft ragt der "Camel Rock" raus, er sieht aus wie ein liegendes Kamel.

Hier weht mir der Wind eine Plastiktüte am Auspuff der SP und verfängt sich dort auf Dauer (am Ende der Reise ist sie aber so porös, dass sie Stück fuer Stück abbröckelt). Da alle guten Dinge drei sind passiert gleich noch ein Malheur. Auf dem Zeltplatz, den wir schlußendlich finden, hängt Susann ihre Gore-Tex-Jacke an den Lenker, das Gewebe bleibt am Krümmer kleben, und sie hat ein pfirsichgroßes Loch in der Jacke. Doch die Guzzis laufen super, das Wetter ist klasse, und wir stellen fest, dass wir auf unserer, bis jetzt
siebentägigen Reise, schon 3200 km gefahren sind. Zeit also, mal einen Tag auszuruhen.
Wir schauen uns Santa Fe an, daß mit seinen alten Adobehäusern und dessen Nachbauten, wunderschön anzuschauen ist. Die Fassaden sind terrakottafarben und die Ecken und Kanten sind abgerundet, eine Stadt, die in Form und Farbe der umliegenden Landschaft angepaßt wurde. Ausserdem ist sie voll Leben, und es herrscht hier eine ungezwungene, lockere Atmosphäre. Wir fühlen uns sehr wohl. 160 km nördlich liegt Taos, etwas kleiner als Santa Fe und im Baustil genauso. Interessant ist die Adobekirche San Francisco de Asis, die gerade restauriert wird, wir können beobachten, wie Bauleute die Fassade mit Lehm verputzen.
Ganz in der Nähe ist das Indianerdorf Taos Pueblo, eigentlich sind wir ja vor allem deshalb hierher gefahren. Geduldig stellen wir uns in die Schlange wartender Autos an der Zufahrt zum Dorf, bezahlen die 10$ pro Person und Motorrad und laufen  dann etwas verärgert um die 800 Jahre alten, mehrstöckigen Adobegebäude des Dorfes. Es wimmelt hier nur so von Touristen, und wir dürfen nicht fotografieren - aber was haben wir erwartet? Wir stellen fest, dass hier sogar noch Indianer leben, Ärger weicht Verständnis.


White Sand
                DunesAm Abend wälzen wir Karten und Reiseführer, noch vier Wochen Zeit, denken wir, also fahren wir doch noch runter an die mexikanische Grenze, die Beschreibung des "White Sands National Monument" hört sich sehr verlockend an. Auf kleinen Strassen fahren wir durch eine tolle Landschaft, die karg und hügelig ist und langsam ansteigt bis wir auf einer Höhe von 1500 m sind. Nach einem Abstecher in ein Lavafeld kommen wir am frühen Nachmittag bei den "White Sands" an. Es ist unglaublich heiß, wir fahren ohne Jacke in die schneeweisse Dünenlandschaft, die übrigens eine der größten Wanderdünen der Welt ist. Circa eine Stunde treiben wir uns hier rum, klettern auf ein paar Dünen rauf und genießen den atemberaubenden Anblick, den man ohne Sonnenbrille nicht ertragen kann. In Mesila, einem kleinen, mexikanisch anmutenden Ort in der Nähe von Las Crucez, kommen wir noch früh genug an, um uns dort umzusehen. Hier wurde Billy the Kid vor ca. 120 Jahren erschossen. Heute ist hier nicht mehr so viel los, die Leute, die uns begegnen können wir an einer Hand abzählen.


Weiter geht es am nächsten Tag zu den Gila Cliff Dwellings. Eine der schönsten, wenn nicht sogar die schönste, Strecke unserer Reise erwartet uns hier: kleine, kaum befahrene Strassen mit Kurven ohne Ende führen uns erst durch eine wüstenartige Berglandschaft, die mit Yuccas gespickt ist, später wird die Landschaft fast alpin. Es ist einfach wunderschön! Zu den Cliff Dwellings, 1300 Jahre alte, in Hoehlen versteckte Felswohnungen der Anasazi, führt uns eine einstündige Wanderung. Auch hier sind wir fast die einzigen Touristen, die Gegend ist wohl etwas zu weit vom Schuss.

Am Abend nehmen wir ein Bad in den Hot Springs, morgens gehts wieder gen Norden, ueber Silver City nach Springerville in Arizona. Die Strecke bringt wieder jede Menge Fahrspass, viele Kurven und eine abwechslungsreiche Landschaft.

Die Farben ändern sich ständig, durch grünes Grasland gehts in eine sandfarbene Wüste, die späterbuntgestreiften Sulfatbergen weicht. Um so näher wir dem Canyon de Chelly kommen, umso mehr bestimmt die Farbe Rot die Landschaft. Der Canyon liegt in einem Reservat der Navajo-Indianer, die Ortschaften hier entsprechen unserem Bild von Reservaten: ärmlich, verdreckt, irgendwie slumartig.... Doch der Canyon ist großartig, von jedem Aussichtspunkt haben wir einen anderen Ausblick auf die rötlich- braun- leuchtenden Felsen.

Um zu unserem heutigen Ziel, Cortez, zu kommen, beschließen wir eine Abkürzung zu nehmen, die 60 km spart, allerdings eine Dirtroad ist, aber sooo schlimm kann's ja nicht sein. Denken wir. Die Strasse führt uns durch knallrote Felsen, hat erst einen roten Schotterbelag, der dann allmählich zu rotem Feinsand wird und geht ständig bergauf und bergab. Für die ersten 5 km brauchen wir sage und schreibe 40 Minuten - wir drehen wieder um.


Auf Asphalt fahren wir über ein Hochplateau, aus dem schroffe Felsen herausragen, bis wir am Four- Corner, dem Vierländereck New Mexico - Arizona - Utah - Colorado, ankommen. Mit einem Fuss, gleichzeitig in vier Bundesstaaten stehen, das ist doch was. In der Nähe von Cortez gibt es ein Reservat der Utah- Indianer, die einen Campingplatz und ein Casino betreiben. Ein schöner Platz um mal wieder einen Tag Pause zu machen. Der Gang ins Casino erschüttert uns etwas, die Indianer haben sich mit dem Bau dieses Casinos wohl selber eine Grube gegraben. Fast ausschliesslich Indianer hocken vor den Spielautomaten und verjubeln ihr Geld.

Ganz in der Nähe ist der Mesa Verde NP, die SP darf heute mal ausruhen, wir fahren die 70 km mit der S. Im Gegensatz zu bisher Gesehenem herrscht hier Massentourismus, ganze Busladungen von Touris werden angekarrt. So kann man die Cliff Dwellings der Anasazis nur von weitem betrachten, eine Alternative wäre eine geführte Tour, doch die sind alle ausgebucht. Uns bleibt also nur der Blick von oben in den sehr schönen, braun-grünlichen Canyon.
Der Tag Pause hat meiner SP nicht gut getan, sie springt nicht an. Relativ schnell finde ich das Problem: ein abgebrochener Kontakt im Starterknopf. Erstmal geht's mit "Kabelzusammenhalten" bis zum nächsten Baumarkt, dort finden wir einen Druckschalter, der fachmännisch mit Panzerband befestigt wird und so bis zum Ende der Reise halten soll.

Es ist extrem heiß, wir tun es bereits den Amerikanern gleich und fahren in Jeans. Wir sind also froh, daß es heute wieder in die Berge geht. Erst Wüste mit Felsen, dann waldiges Gebirge und herrlich kurvige Strassen inclusive eines 3600 m hohen Passes lassen bei uns Freude aufkommen. Bei Montrose ist erstmal wieder Wüste angesagt, bis es bei Delta in die Grand Mesa geht, mit 3000 m der groesste Tafelberg der Welt. Oben liegt sogar Schnee, wir überlegen ob die Ledersachen nicht doch angebrachter sind, lassen es aber bleiben, schließlich wollen wir noch ins Colorado Tal.
 


Monument
                ValleyDem größten Motorradschrotthändler, den ich in meinem Leben sah, statten wir in Grand Jct. einen Besuch ab. Riesige Hallen, von oben bis unten mit Teilen vollgestopft und ein Hof mit tausenden von schrottreifen Motorrädern, finden wir vor, leider gibts hier kein einziges Guzzi- Teil. Aber das suchen wir ja auch gar nicht, wir schauen nach japanischen Schaltereinheiten fuer die SP und werden sogar fündig. Durch's Colorado- River- Tal, kurvenreich und felsig, fahren wir nach Moab, dass Ausgangspunkt zum Arches NP ist. Rötlich braune Felsformationen, die durch ihre Formen der Phantasie freien Lauf lassen, ragen aus der Wüstenlandschaft. Besonders beeindruckend sind die riesigen Steinbögen, denen der Park seinen Namen verdankt. Ca. zwei Stunden treiben wir uns hier rum, doch das Monument Valley, dass wir zum Sonnenuntergang erreichen wollen, ruft.


Ausgerechnet an diesem Abend spielt das Wetter nicht so mit, Wolken schieben sich vor die Sonne, als wir das Tal erreichen. Schade! Die Lage des Campingplatzes dient aber als Entschädigung, auf einer Anhöhe stellen wir unser Zelt so auf, dass wir das Tal von oben überblicken können. Wir denken an Indianer- und Westernfilme, natürlich auch an Zigarettenwerbung und freuen uns auf den nächsten  Morgen, der wieder herrlichen Sonnenschein bringt. Bevor wir losfahren stellen wir noch die Ventile der SP ein, dabei überdrehe ich dummerweise das Gewinde einer Schraube am Ventildeckel, aber erstmal fällt uns dazu nichts ein, und wir fahren so weiter.

Um zum Natural Bridges NM zu kommen nehmen wir eine Abkürzung, die wir diesmal nicht bereuen. Auf einer kleinen Strasse, die für 5km aus Schotter besteht, geht es in Serpentinen auf ein Hochplateau, von dem wir einen herrlichen Blick über das Land haben.
Die Natural Bridges, Steinbrücken, die durch gewaltige Wassermassen in den Sandstein gegraben wurden, erlaufen wir uns, es ist angenehm leer hier und die vorherrschende Farbe ist diesmal grau, doch nachdem wir die Arches gesehen haben bringen diese Brücken nicht viel Neues. Dafür ist der Highway 95, auf dem wir uns weiterbewegen, ein absolutes Highlight unserer Reise. Durch rote, braune, gelbe, graue  Canyons und über den Colorado River, der an dieser Stelle erstaunlich breit ist, fahren wir auf dieser kurvenreichen Strasse. Es ist so schön hier, zwei Augen reichen nicht, um alles zu erfassen.


Lake PowellInzwischen sind Stiefel und Jeans gut geölt, und ich habe eine Idee. In Gedanken habe ich mein Motorrad abgegrast und eine Schraube geortet, die auch durch eine kürzere ersetzt werden kann. Ich opfere eine von meinen langen Schrauben und begnüge mich vorerst mit der kurzen des Ventildeckels. Ab sofort bleiben Stiefel und Jeans trocken.

Den Abend verbringen wir auf einem Campingplatz in Torrey mit einem alten Mann, der mit seiner BMW unterwegs ist. Er erzählt uns vom USA - weiten BMW-Treffen, daß in drei Wochen in Montana stattfindet und lädt uns dazu ein, da Guzzi- Fahrer, noch dazu deutsche, auch gerne gesehen werden. Leider paßt der Termin nicht in unseren Plan, doch uns geht ein Licht auf, bezüglich der vielen BMW's die wir ständig sehen.


Bryce CanyonNein, wir haben noch nicht die Nase voll von Canyons, der Bryce Canyon NP steht heute auf dem Programm. Auf dem Weg dahin können wir uns mal wieder abkühlen, ein 3000 m hoher Pass ist zu überwinden. Der Canyon ist überraschend anders, als alles bisher gesehene, wir schauen auf ein Meer von lauter bunten Kleckerburgen. Von Gelb- und Rottönen bis zu Orange und Weiss reichen die Schattierungen, wir sind froh, dass wir uns dieses Naturwunder nicht entgehenlassen haben.


Letzter Canyon unserer Reise soll der Grand Canyon sein, genauer genommen das North Rim des Grand Canyon. Es geht wieder stetig bergan, und es ist recht frisch, weil es bis an die Ränder des Canyon dicht bewaldet ist. Wir fahren alle Aussichtspunkte an, die Fahrt im Nationalpark macht Spass weil sich Kurve an Kurve reiht. Vom Canyon selber bin ich ueberwältigt, ähnliche Formationen in wesentlichen schöneren Farben und Formen haben wir zwar bisher auch schon gesehen, aber es sind die Ausmaße, die 1600 m Tiefe und eine Breite zwischen 6 und 28 km, die den Canyon so beeindruckend machen.
Noch am selben Tag wollen wir Las Vegas erreichen. 
Es geht durch die Wüste, und es ist brüllend heiß. Kurz vorm Dunkelwerden kommen wir in Las Vegas an, und bis wir ein geeignetes Hotel gefunden haben ist es stockdunkel. Dafür wollen wir hier mal wieder einen Tag verweilen, es ist der 17. Tag und unsere Tachos zeigen 7750 km mehr als am Beginn unserer Reise. Einen kleinen Ausflug zum Hoover-Damm können wir aber nicht sein lassen, Superlative sind halt immer ein Anziehungspunkt, der Reiseführer spricht von einem der höchsten Dämme die je gebaut wurden (230m). Nun ja, der riesige Stausee, inmitten der Wüste, ist schon sehr reizvoll, doch der Damm selbst reißt uns nicht vom Hocker.


Ich habe eine Liste mit Adressen von Guzzi-Fahrern in den USA, die Hilfe anbieten und Gesellschaft lieben. Auf dieser Liste befindet sich auch Tom, mit dem wir uns zum Dinner verabreden. Es wird ganz nett, und er zeigt uns seine Garage, in der neben der Guzzi-Lario auch zwei BMW's stehen. Zufällig hat er auch Halter für die zukünftige Verkleidung der SP übrig, die will er uns nach Hause schicken. Wir freuen uns und stürzen uns, leider schon wieder im Dunkeln, auf den Strip, der wohl bekanntesten Strasse von Las Vegas.
Wir laufen den Strip hoch und runter, sind ganz fasziniert von der bunten Glitzerwelt und stellen fest, dass Las Vegas ganz dem Klischee entspricht, aber in Wirklichkeit viel schöner ist. Durch die, mit viel Fantasie gebauten Hotels, wie New York New York, Luxor, Excalibur oder Treasure Island, fühlen wir uns in eine Märchenwelt versetzt und verlieren ganz das Gefühl für die Zeit. Als wir endlich eine Uhr entdecken, stellen wir erschrocken fest, dass es schon ein Uhr morgens ist (die Straßen sind übrigens noch proppevoll). Zeit um ins Bett zu gehen, am nächsten Morgen wollen wir früh raus - durch's Death Valley wollen wir nicht gerade in der größten Mittagshitze fahren.
Beim Rausfahren aus Las Vegas verlieren wir uns dummerweise im sehr dichten Verkehr. Da ich die "gute" Karte habe dauert es ca. eine Stunde bis wir uns wiederhaben. Aber dann kann's weitergehen. Bei Pahrump fängt Kalifornien an, wenige Meilen später geht es über eine Bergkette, hinunter zum Death Valley.

Dass es sehr heiß ist, um die 45 Grad Celsius, brauche ich sicherlich nicht erwähnen, wir fahren nur noch mit Shirts. Am tiefsten Punkt der USA, Badwater, 95 m unter dem Meeresspiegel, kommen wir trotz guter Vorsätze erst gegen 13 Uhr an, zum Glück haben wir genug Trinkwasser mit- hier gibt es nichts zu kaufen! Später kommen wir natürlich noch zu dem obligatorischen Visitor-Center, in dem man sich mit Getränken und T- Shirts eindecken kann. Es treiben sich doch erstaunlich viele Leute hier rum. Das Tal selber ist gar nicht so breit, aber sehr lang, ca. 200 km fahren wir durch Sand- und Steinwüste, bis wir über die nächste Bergkette in das nächste Tal kommen. Es ist schier unglaublich, was uns hier erwartet, aus der Wüste kommend  tut sich ein Blick auf die schneebedeckten Gipfel der Sierra Nevada auf.


Death ValleyEin leichtes Scheppern aus Richtung Auspuff, irritiert mich, an einer Tankstelle schauen wir mal nach und siehe da, die rechte Auspufftüte der SP löst sich langsam, die Befestigungsmutter ist bereits verschwunden. Wir wollen jetzt keine großen Aktionen starten, das Werkzeug ist tief vergraben, also wird die Auspufftüte erstmal mit Panzerband hochgehalten. Ein Harley- Fahrer schaut uns amüsiert zu und überredet uns im anschließenden Gespräch, nicht die Südroute, sondern die Nordroute über die Sierra zu nehmen. So fahren wir gen Norden und schlagen unser Zelt in Bishop auf, wo wir am nächsten Morgen eine ausgezeichnete holländische Bäckerei finden.


Dirt Road bei
                BodieEs ist bereits Freitag, für den Abend haben wir uns bei Rainer in San Francisco angemeldet. Unser Plan ist, der Geisterstadt Bodie einen Besuch abzustatten und dann zum Yosemite NP über den 3300 m hohen Tioga- Pass zu fahren. Hinter dem "mondseeartigen" Mono-Lake geht's auf einer Holper-Schotterstrecke nach Bodie. Dieser Ort, im Goldrausch entstanden, hatte einst um die 10.000 Einwohner, von denen seit 1942 keiner mehr hier lebt. Dafür sind viele Touristen unterwegs, mit von der Partie massenhaft Harleyfahrer, die ihre "guten Stücke" mehr oder weniger im Schrittempo auf der Holperstrecke bewegen. Auf dem Rückweg, ich bin gerade um eine Kurve entschwunden, wird Susann plötzlich so heiß ums Bein, und irgendwie ist die Guzzi jetzt lauter - die rechte Auspufftüte ist weg! 200 m zurück finde sie sie  wieder. Ein paar Harleyfahrer bedauern mich aufrichtig und bieten ihre Hilfe an, falls mein Freund nicht wieder auftauchen sollte. Doch ich tauche wieder auf und diesmal wird die Tüte richtig befestigt.


Aus dem Tioga- Pass wird leider nichts, er ist wegen Schnee gesperrt, wir müssen es weiter nördlich versuchen. Das Harley- Aufkommen auf den Strassen wird höher, um so näher wir der Stadt Bridgeport kommen. Ein recht großes Harley-Treffen findet gerade statt, auf dem wir uns natürlich ein bisschen umschauen. Es ist aber schon 17 Uhr und bis San Francisco werden es noch gute 400 km sein, außerdem müssen wir noch über einen Pass, weiter also. Der Sonora-Paß, über den wir auf hübschen, kleinen, kurvigen Strassen fahren, ist 3200 m hoch, und es liegt richtig viel Schnee hier oben. Als wir aus den Begen kommen ist die Sonne gerade am Untergehen. Erst 00.30 Uhr kommen wir in San Francisco an.
Genau drei Wochen sind wir bisher unterwegs, und uns wird etwas komisch bei dem Gedanken, daß wir in etwa die selbe Kilometerleistung wie bis hierher (9000 km), auch für den Rückweg einplanen müssen. Allerdings bleiben uns dafuer nur zwei Wochen. Hmm? Naja, trotzdem wollen wir drei volle Tage in SF bleiben.

Die Stadt ist wunderschön, wir fahren ohne Nebel über die Golden Gate Bridge, fahren ein Stück mit dem Cable Car die Strassen hoch und runter (im wahrsten Sinne des Wortes), laufen durch Chinatown und sehen Alcatraz nur von weitem. An diesem Wochenende ist hier eine große Lesben-Schwulenparade, ganze Strassenzüge sind schon am Vorabend gesperrt, es ist Straßenparty angesagt, wir stürzen uns ins Gewühle und haben großen Spaß. Auch die Parade selber, die  "Pride '98",  ist ganz toll, es herrscht ein Klima grenzenloser Toleranz, selbst Polizei, Banken etc. lassen Wagen in der Parade mitfahren.


San FranciscoIch hatte, in weiser Voraussicht, einen neuen Hinterreifen nach SF geschickt, für 15 $ läßt er ihn in einer Werkstatt aufziehen. So kann's also am nächsten Tag weiter gehen, erst mal ein Stück Highway, um schnell aus dem SF-Area rauszukommen, später auf der Küstenstraße Eins. Die Eins ist kurvig, und wir haben ständig einen Blick auf's Meer. Leider ist sie auch total überfüllt, am meisten stören die Wohnmobile, die hier teilweise in Konvois auftauchen.

In dem kleinen Ort Mendocino finden wir eine Tankstelle, die bereit ist unser altes Öl abzunehmen, denn ein Ölwechsel ist überfällig. Sie borgen uns eine Ölauffangwanne, den Ölwechsel sollen wir aber nicht an ihrer Tanke machen, sondern am Strassenrand, wo wir die Prozedur dann mit leicht schlechtem Gewissen durchführen.


RedwoodsBis Crescent City führt uns die 101 durch Redwood- Wälder, mit ca. 100 m Höhe sind die Redwoods  die höchsten Bäume der Welt. Es ist echt beeindruckend links und rechts diese riesigen Baumstämme zu sehen, in diesem ewigen Schatten ist es allerdings auch recht kühl- wir haben Sehnsucht nach der Wüste.

Ein Abstecher an den Crater Lake bringt uns wieder von der Küste weg und somit auch aus der Kälte. Wir packen die dicken Pullover vorerst wieder ein und erfreuen uns an den kleinen Strassen, die uns durch die Cascade-Mountains bringen. Zum Crater Lake geht es in schönen Serpentinen bis auf 2000 m. Die dicken Pullover werden wieder ausgepackt, hier oben liegt Schnee und es regnet. Der Anblick ist trotzdem grandios, der durch einen Vulkanausbruch entstandene See ist toll gelegen und kann auf einer 50 km langen Ringstrasse umrundet werden.


Wieder in der Ebene, ändern wir unseren Plan, nördlich über Bend zu fahren, denn eine dicke schwarze Wand kommt aus ebendieser Richtung auf uns zu. Wir versuchen den Wolken auszuweichen, indem wir westlich, durch die Cascade- Mountains nach Eugene fahren. Am 1600 m hohen Will Amette-Pass verschlechtert sich das Wetter aber soweit, dass wir doch die Regensachen anziehen und durch dichte Nebelwaende und teilweise sehr starken Regen fahren. Ab Eugene fahren wir nur noch auf dem Interstate 5 Richtung Seattle, wir wollen Kilometer machen, um möglichst bald wieder in wärmeren Gefilden fahren zu können.
Seattle erwartet uns erstaunlicherweise nicht mit Regen, aber der Himmel ist bedeckt. Zu Fuß erkunden wir die Stadt, ein fröhliches Miteinander von alten, schön restaurierten Haeusern und moderner Architektur macht die Stadt symphatisch. Sie ist bunt und eine grosse Anzahl von Kneipen und Straßencafes geben ihr ein europäisches Flair.
Es regnet die ganze Nacht, und wir packen das Zelt naß ein, noch eine Fahrt über die Cascades, dahinter soll das Wetter wieder schön sein. Riesige Obstplantagen bestimmen das Bild, da es wieder warm und trocken ist legen wir eine "Obstpause"  ein und lassen nebenbei das Zelt trocknen. Der Tag bringt die verschiedensten Landschaften, Hügel und Täler, bewachsen mit Gras, nichts oder Getreide und karge Canyons. Es ist schön.
Über Spokane geht es nach Idaho hinein, wo wir in Bovil ein Pärchen besuchen wollen, daß dort vor kurzem eine Bar aufgemacht hat. Wir haben ihre Adresse aus der "Guzzi-Newsletter" und denken, mal kurz vorbeischauen kann nicht schaden. Als die Barbesitzer die Geräusche unserer Guzzis auf der Strasse hören, kommen sie gleich ganz begeistert rausgestürzt. Nach kurzer Begutachtung der Bar und ihrer Garage, in der auch drei Guzzis stehen, ziehen sie sich um, und begleiten uns ein Stück, sie mit einer SP 1000, er mit einer California.


Auf dem Highway 12 wollen wir nach Montana reinfahren. Diese kleine, kurvige Strasse zieht sich auf 180 km durch eine tolle Berglandschaft, nicht einen einen einzigen Ort gibt es in dieser Gegend, der Höhepunkt ist der Lolo-Paß mit 1700 m.
Aus Mangel an Alternativen bewegen wir uns zwischen Missoula und Whitehall auf dem Interstate 90. In Montana gibt es kein Tempolimit, wir hatten uns schon gefreut, doch der Fahrbahnbelag ist so schlecht, daß wir in gewohnten Tempo weiterfahren. Um zum Yellowstone NP zu kommen begeben wir uns wieder auf kleinere Strassen. Virginia City, noch eine Geisterstadt aus den Tagen des Goldrausches, liegt auf halber Strecke, da wollen wir uns mal umschauen. Besonders berauschen tut uns der Anblick aber nicht, die Stadt ist mit Autos zugeparkt und in den "Geisterhäusern" befinden sich Souvenierläden, Restaurants oder Museen.
Für den Yellowstone NP wollen wir uns eigentlich einen ganzen Tag Zeit lassen, es ist aber bereits Dienstag, der 31. Tag unserer Reise, die uns nun schon 12400 km durchs Land führte.
Uns bleiben noch fünf Tage und ein Blick auf die Karte sagt uns, dass wir noch ca. 4000 km zu fahren haben. Oh, Oh, darüber wollen wir lieber gar nicht nachdenken. Wir beladen die Guzzis und fahren in den Park, mit 15 $ pro Motorrad ist er übrigens der teuerste Nationalpark den wir besuchen. Im gesamten Parkgebiet darf man nur 35 Meilen pro Stunde fahren, Autos und Wohnmobile unterbieten dieses Tempolimit teilweise bzw. bringen den Verkehr ganz ins Stocken, da sie schlagartig (mitten auf der Straße) anhalten, wenn irgendwo ein Bison oder ein Elch auftaucht. Etwas genervt kommen wir am Old Faithfull an, der ca. alle 70 Minuten 90 m hoch spritzen soll und nach 60 minütigem Warten können wir dieses Schauspiel auch beobachten. Er ist allerdings etwas schmächtig verglichen mit den alten Fotos. Wir schauen uns noch die Wasserfälle des Yellowstone- River an, die in einen schönen, goldfarbenen Canyon stürzen, und laufen eine Weile in den Mammoth Hot Springs rum, einer seltsame Landschaft mit Terrassen in vielfarbigen Schattierungen, bevor wir am frühen Nachmittag den Park über den Nordost Ausgang verlassen.


im
                Yellowstone Die kleine Straße mit wenig Verkehr geht stetig bergauf durch die tolle Bergwelt der Rocky's, zwei Pässe, der Colter Pass (2688 m) und der Beartooth Pass (3650 m), liegen auf dem Weg. Doch dicke, schwarze Regenwolken erwarten uns hinter dem zweiten Paß, völlig durchnässt kommen wir in Red Lodge, dem nächsten Ort im Tal, an. Sämtliche Motelzimmer in dem Ort scheinen an BMW- Fahrer vermietet zu sein, kein Wunder, das BMW- Treffen findet am Wochenende ganz in der Nähe statt, aber wir haben Glück und finden noch ein billiges Zimmer.


ständige
                ReisebegleiterDer Interstate 90 hat uns wieder. Bis wir nach Wyoming reinfahren können wir, ohne Angst vor Geschwindigkeitskontrollen, am Gasgriff drehen. Dabei verpasse ich ein kleines Schildchen mit dem Hinweis, daß hier die letzte Tankstelle für die nächsten 70 Meilen ist. 30 Meilen fahre ich schon auf Reserve, als wir die nächste Tanke finden, na das ging ja nochmal gut. Bis Gillette fahren wir auf der 90, die Gegend ist hüglig und karg, dabei aber nicht reizlos, auf der Gegenfahrbahn kommen uns BMW um BMW entgegen. Wieviel Leute wollen sich bei diesem Treffen eigentlich versammeln? Es müssen Tausende sein!


Noch einmal können wir uns auf Berge freuen, die Black Hills rücken immer näher, und somit auch Crazy Horse und Mt. Rushmore. Von Crazy Horse sind bisher nur der Kopf und der ausgestreckte Arm zu sehen, in ca. 50 Jahren sollte man nochmal wiederkommen, bis dahin soll das Monument fertig sein! Die vier Köpfe amerikanischer Praesidenten sind bereits seit 50 Jahren zu bewundern, so beeindruckend finden wir sie aber nicht, vielleicht fehlt uns der dazu nötige amerikanische Patriotismus. Wir sind auch nicht bereit die 10$ für den Parkplatz mit direktem Blick auszugeben und nutzen das Teleobjektiv.

In der Nähe von Rapid City liegen die Badlands, das soll der letzte Abstecher auf dem Weg nach Hause sein. Es ist echt erstaunlich, plötzlich hört die ewige Prärie auf und eine canyonartige, durch bizarre Formen und schöne Farben bestechende Landschaft tut sich vor uns auf. An die 60 km geht es durch diese Naturschönheit, danach ist wieder Interstate angesagt und das heißt, gerade gen Osten und Kilometer abspulen. Hier ist es einfach nur langweilig, das Land total platt, links und rechts Felder.
Wie geplant kommen wir Freitag abend bei Marc in Chicago an, die letzten beiden Tage allein sind wir 1750 km gefahren, wir sind echt kaputt. Marc hatten wir auf dem Indiana Guzzi Treffen kennengelernt, er hatte uns eingeladen, ihn auf dem Rückweg von unserer Reise zu besuchen. Der Abend wird sehr nett, und er verkauft uns neue Auspufftüten für die SP.

Am nächsten Morgen ist Eric allerdings erschüttert, beim Gepäckaufladen stellt er fest, daß das Kabel vom Fahrradtacho abgerissen ist und das rechte Zündkabel nur noch in Fetzen runterhängt. Das war der junge Hund von Marc, er liebt Plastik, aber Marc hat Ersatz, so ist das Problem schnell gelöst.
Die letzten Kilometer bis Detroit überstehen die Guzzis und wir auch ohne Zwischenfälle, erst in unserer Garage stellen wir fest, dass Susann sich einen dicken Nagel im Hinterreifen eingefangen habe. Nun ist der Reifen platt, aber nach den insgesamt 16280 km ist der Reifen eh hin.


Kilometermäßig hatten wir uns natürlich ganz schön verschätzt, es ist hier doch alles größer und weiter als man denkt. Wir haben eine Menge gesehen, erst im Norden, als wir merkten, daß die Zeit knapp wird, mußten wir ein paar Abstriche machen. Trotzdem es teilweise recht anstrengend war (vor allem die letzten Tage), würden wir nichts von dem Gesehenen missen wollen. Auch das Wetter war, bis auf vier Tage, bestens, und die Motorräder machten alles mit - was will man also mehr?

Susann Hinz & Eric Koch
Oktober 1998

 
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