Am Freitag soll es etwas
entspannter weiter gehen, nachdem gestern nur Autobahn
angesagt war. Über Landstraßen fahren wir bis Bregenz
hinunter und schleichen dann durch Österreich und
Liechtenstein bis in die Schweiz, wo es bei Chur
endlich wieder Spaß macht Motorrad zu fahren. Diese
70km sind die anstrengendsten der heutigen 470km.
Alles bleibt zum Glück trocken bis zum Fuße des
Splüggen Passes. Hier heißt es wieder Regensachen
anziehen, die aber wiederum 5km weiter ihren Sinn
verlieren. Entspannt kommen wir gegen 19:00 in
Mandello an und beziehen unser Zimmer im Ort, das wir
zur Sicherheit gebucht hatten, weil wir Zeit und
Wetter nicht abschätzen konnten. Abends stellen wir
uns in die lange Coupon Schlange für das Essen an,
aber Polenta, Roastbeef und Wein entschädigen dann
bald dafür. Es ist voll, die Band spielt laut, es ist
gute Stimmung, alles wie 2013, vielleicht nur noch
voller.
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Samstags gehen wir nach einem
Frühstück gleich zum Werkstor, um uns bei den
Probefahrten einzuschreiben. 9:30 macht das Tor auf, da
ist der ganze Parkplatz schon gefüllt und der Bereich um
das Werk im Ausnahmezustand, es ist alles voll. Wir
können uns für den Nachmittag einschreiben, so haben wir
noch den Tag über Zeit uns alles in Ruhe anzuschauen.
Der Windkanal steht immer noch, ist seit letztem Mal neu
gestrichen (übrigens ebenso wie das Werkstor) und dient
als Kulisse für die Präsentation der V85TT. Die
Motorenmontage wie auch das Band, wo die 1400er läuft
(naja, eigentlich steht, es ist kein Produktionstag)
sind zu besichtigen, aber viel mehr zu sehen ist draußen
auf den Parkplätzen. Das meiste sind Guzzis, aber es
sind auch alle anderen Marken vertreten. Alle Baujahre
sind vertreten, es gibt originale Modelle, aber die
Umbauten sind zahlreich vertreten. Uns fallen die vielen
1400er in allen Varianten auf, aber auch speziell
erwähnenswert ist ein Umbau mit einem Doppelvergaser auf
einem Vierventilkopf. Nachdem ich in Collenberg schon
den Stelvio Motor beim "da Huber IS" gesehen habe
(immerhin in einem originalen, nicht verstärkten Tonti
Rahmen), ist hier auch ein schöner Umbau mit dem
gleichen Motor auf Basis der Bellagio zu sehen. Ich kann
meinen T-Shirt Abteilung wieder auffüllen, aber am
Nachmittag merken wir, daß die offiziellen Open House
T-Shirts schon nicht mehr in allen Größen erhältlich
sind. Es scheint nicht mit so viel Andrang gerechnet
worden zu sein. Das Wetter ist auch prima, sonnig, aber
nicht heiß und trocken. Am Nachmittag übernehme ich die
„gebuchte“ V9 Roamer, Roger die V7 und wir reihen uns
vorne hinter dem Führer ein. Im Prinzip geht es im
fliegenden Galopp einmal 20 Minuten oben um Mandello
herum und wir sind froh, vorne zu sein. Innerhalb von
300 Metern haben wir alle hinter uns Fahrenden verloren.
Erstaunlicherweise hält vor mir ein Cali 1400 Fahrer das
Tempo problemlos. Ich finde die Sitzposition
gewöhnungsbedürftig, hauptsächlich wegen der weit
ausladenden Fußrasten. Der Motor zieht erstaunlich gut
und lochfrei, mich stört nur als Vergaserfahrer das
sensible Ansprechen der Einspritzung. Die schlechten
Straßen offenbaren gnadenlos die Qualitäten der
Federelemente, die gefühlt nicht viel besser als die
optimierten meiner S sind. Im Prinzip hat Roger ähnliche
Erfahrungen. Der Motor der V7 leistet ordentliches und
Sitzposition ist ähnlich seine S. Abends sind wir wieder
am Platz am Park, genießen noch die Abendstimmung am
See, das Essen und das noch größere Gewusel als gestern.
Es ist wirklich beeindruckend, was die lokalen Vereine,
die anscheinend alle mit Ständen oder Aktionen vertreten
sind, hier auf die Beine stellen und es ist auch
erfreulich, daß Guzzi (oder Piaggio) die Zeichen der
Zeit erkannt hat und auf Kundenbindung und -entwicklung
setzt. Auch wir sind jetzt „Member of the Clan“ und
haben unseren Begrüßungsbeutel in Empfang genommen. |
Moto Guzzi C4V 500 |
Umbau auf Basis Griso |
Umbau auf Basis Bellagio (V8) |
Am Sonntag packen wir alles
zusammen und brechen Richtung Bologna auf. Um Milano
herum nehmen wir Schnellstraßen und Autobahnen, aber
danach die Via Emilia (S9), was heute ohne LKW Verkehr
erstaunlich streßfrei ist. Vor Bologna biegen wir nach
Süden ab. Wir sind recht früh dran und wollen noch
Maranello, der Geburtsstätte von Ferrari einen Besuch
abstatten. Ein Foto vor dem Museum reicht uns aber,
dann brechen wir auf nach S. Agata, wo Lamborghini
sein Museum hat. Das schauen wir uns an, genießen aber
ehrlich gesagt auch die Klimanlage bei den 30°C
draußen. Beim Umschauen sehe ich, daß Lamborghini gar
nicht so viele Modelle hat(te), und daß ich eigentlich
alle kenne – das Alter.... Aber dann geht es wirklich
nach Bologna in unser AirBnB Zimmer, daß wir nach
etwas Suchen finden. Das Problem ist, daß die
Innenstadt nur mit spezieller Zulassung oder Ausnahme
befahren werden darf. Unser Zimmer liegt am Rand
dieser Zone, was wir vorher geprüft hatten. Mit ein
paar Tips vom Vermieter gehen wir nach dem Duschen,
was bei über 30°C nicht wirklich Abkühlung ist, in die
Stadt. Was als erstes auffällt ist, daß im Prinzip
alle Häuser an den Straßen Arkaden haben. Man kann so
immer von der Sonne (oder dem jetzt nicht vorhandenen
Regen) geschützt flanieren. Die Häuser sind prächtig
und oft verziert, teilweise aber auch äußerlich nahe
dem Verfall. Uns gefällt es. Überraschen tut uns die
schiefen Türme auf der Piazza di Porte Ravegnana, man
kennt nur den in Pisa. Auch diese beiden sind
auffällig schief. Abends finden wir ein nettes Lokal
in der Via del Pratello, einer Szenegasse.
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Moto Guzzi vor
Ducati
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Die Nacht in dem kleinen,
recht stickigen Zimmer ist nicht so prickelnd. Wir
können zum Glück unser ganzes Geraffel bei unserem
Vermieter lassen und mit dem Bus (Karten im Bus 1,50€)
raus nach Borgo Panigale fahren, wo Ducati beheimatet
ist. Die Werksführung und das Museum kosten zusammen
30€ pro Person, kein Schnäppchen, aber wenn man schon
mal hier ist…. Normalerweise muß man sich online
anmelden, wegen der Moto GP am Wochenende geht es so.
Trotz Hinweisen auf der Webseite komme ich auch in
kurzen Hosen und Trekkingsandalen in die Werksführung
rein. Sie ist sehr offen und detailliert, man bekommt
alles gezeigt und mit sichtlichem Stolz werden auch
alle Fragen beantwortet. Bemerkenswert ist, daß in
drei Monaten am Jahresanfang mit 60% Leiharbeitern ein
Großteil des Jahresgeschäfts produziert wird. In den
verbleibenden 9 Monaten wird mit einer Stammmannschaft
reduziert weiter gearbeitet. Deswegen herrscht etwas
Leere und entspannte Atmosphäre. Das Museum ist bis
auf ein paar anfängliche Modelle mehr konzentriert auf
den Rennsport. Auch nett, aber wenn man nicht
unbedingter Rennsportfan ist, ist das etwas eintönig.
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Ducati Sport
150
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Nach der Rückfahrt, etwas
Stärkung und einem weiteren leckeren Eis um die Ecke
packen wir und fahren los Richtung Süden. Um die
Querverbindung Ost-West zu machen, nehmen wir kleine
weiße Straßen, die aber durch den Zustand und die
Streckenführung sehr viel Zeit kosten. Ziemlich
erschlagen enden wir am Abend am Lago di Gramolazzo
auf einem netten Campingplatz am See mit
angeschlossener Pizzeria. Dort genießen wir Antipasti
und Pizza mit Wein mit einem anschließenden
Limonicello.
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Morgens ist leider alles naß
vom Tau. Wir kämpfen uns weiter nach Westen. Das ist
der richtige Ausdruck für diese Strecken. Alle guten
Strecken sind Nord-Süd, die Querverbindungen sind für
unsere Fahrwerke wegen der Fahrbahnaufbrüche und
-verwerfungen in Verbindung mit der 1,5 Spurigkeit
eine echte Herausforderung. Positiv hervor zu heben
ist die Strecke von Fornovo nach Bardi, die wir
wirklich genießen können. Als wir in Farini nach 230km
unsere Zelte in einem einsamen Wald Campingplatz
aufschlagen, haben wir uns entschlossen unser Vorhaben
der Durchquerung der Apeninen abzubrechen. Wir kommen
kaum vorwärts, es ist anstrengend und macht nicht
einmal Spaß. Nach einem kargen Mahl aus dem Supermarkt
und einer sehr ruhigen Nacht fahren wir am Mittwoch
Morgen hoch nach Piazenca und nehmen dort die
Autobahn, um Kilometer Richtung Frankreich zu machen.
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Insgesamt 420km über Autobahn
nach Cuneo und den Col di Tenda hinein nach Frankreich
kosten 20€. Es ist angenehmes Fahrwetter, auch als wir
auf der französischen Seite ankommen. Nach etwas
Orientieren fahren wir nach Sospel in der Annahme, daß
es dort schon eine Tankstelle gibt. Aber die Hoffnung
trügt und so rollen wir auf Reserve langsam runter zum
Meer nach Menton. Da uns der Camping Municipal in
Sospel mit seiner Lage direkt am Ort gut gefiel,
fahren wir wieder hinauf in die Berge und schlagen
dort unser Lager auf. Auf der Strecke mache ich noch
einen Fotostop an einer Eisenbahnbrücke, die direkt
aus dem Berg kommt, einen Bogen macht und auf
niedrigerer Höhe wieder im Berg verschwindet. Sehr
kunstvoll. In Sospel gibt es für uns Fisch und Pizza
mit Blick auf das am Abend deutlich ruhigere Städtchen
am kleinen Fluß. Wir passen unseren Absacker dem Land
an und nehmen noch einen Pastis in der Bar an der
Kreuzung.
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Leider macht uns am nächsten
Tag der Regen einen Strich durch die Rechnung. Nachts
hat es schon angefangen und wird bis in den Vormittag
immer konstanter. So müssen wir alles im Regen
einpacken und fahren voll verpackt erst einmal
Richtung Nizza in der Hoffnung, daß es dort trockener
ist, statt direkt nach Norden. Aber schon am Col de
Braus ändern wir unsere Meinung. Es sieht jetzt
deutlich besser aus, und wir drehen nach Norden ab.
Über den Col de Turini und den Col St. Martin geht es
hoch zum Col de la Bonette, einem der höchsten
befahrbaren Punkten Europas mit 2802m. Wie so viele
Male vorher ist es außer dem Fahrerischen auch von der
Landschaft etwas Erhabenes, wenn man aus der
Baumgrenze heraus kommt und die Landschaft immer
karger, die Aussicht aber immer beeindruckender wird.
Als wir unten in Jausiers ankommen, fängt es wieder
mal an zu Regnen, aber richtig. Wir sind gezwungen
eine Crépes Pause zu machen, bevor wir weiter fahren
nach Norden über den leichten Col de Vars. Auf der
Nordseite finden wir in Guillestre ohne Probleme Platz
am Ort auf einem Campingplatz, und ich esse heute mal
lecker ein 3-Gänge Menu.
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Heute packen wir schön trocken
ein. Es ist für die Höhe von 1000m erstaunlich warm und
der Wind hat alles entfeuchtet. Es ist ein Rückreisetag
angesagt. Wir haben gestern fest gestellt, daß wir ein
wenig zu viel getrödelt haben und Roger nach Holland von
hier aus insgesamt 1220km noch vor sich hat. Das müssen
wir möglichst geschickt in zwei Etappen aufteilen. Aber
noch ein letztes Mal wollen wir Spaß haben und fahren
über den Col du Lautaret über den Col du Galibier und
den Col de Telegraphe in das Tal der Arc und reihen uns
hier auf der Landstraße nach Chambery ein. Ein kleines
Schmankerl ist die Abkürzung über die D911 und den Col
de Frene nach Rumily. Ab hier folgen wir endgültig den
großen Landstraßen nach Lons-le-Saunier, wo wir noch auf
die Autobahn gehen um mal Meter zu machen. Wir enden um
19:30 nach 620km in Vittel im empfehlenswerten Hotel
„The new Providence“. Ein Abendessen mit Känguru Steak
und Ile Flottante beenden mehr oder weniger die 10 Tage
Motorradfahren für dieses Jahr.
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Am
nächsten Tag geht es nur noch mehr oder weniger direkt
nach Hause. Das Wetter ist immer noch gut. Es war auch
nicht schlecht, auch wenn wir viermal Regensachen anziehen
mußten, ansonsten blieb auch das Goretex Futter aus der
Jacke draußen. Annähernd 3200 problemlose Kilometer sind
es für mich geworden. Eine heraus vibrierte Schraube aus
dem Scheinwerfertopf mußte ich ersetzen, Roger eine
Rücklichtbirne. Mein drei Jahre alter HJC Alpha Klapphelm
zerlegt sich langsam. Nachdem schon Dichtungen abgefallen
sind, ist jetzt auch die Rasterung vom Visier an beiden
Seiten gebrochen. Generell ist er auch relativ laut und
zieht. Aber damals paßte meine Brille besser als unter den
Schubert C3. Die jetzt montierten Conti Classic/Race
Attack überzeugen mich voll. Sie grippen super, geben ein
gutes Gefühl und sind auch nach 7000km noch ziemlich rund
und fahren sich nicht kippelig. Mit dem jetzt verbauten
Aprilia Ölkühler ist die Temperatur noch ein wenig mehr
reduziert geworden und stieg auch im 30° Stadtverkehr in
Bologna nicht über 110°C. Über Land pendelt sie sich um
die 95°C ein. Nach der Anpassung der Zylinder und Kolben
aufeinander ist der Ölverbrauch auf die ganze Distanz
endlich minimiert auf 0,5l und der Verbrauch bei 4,7
l/100km. Was bei den Benzinpreisen auffiel war, daß
Österreich ganz klar am günstigsten und Italien am
teuersten war, daß Frankreich aber bei weitem nicht mehr
günstig ist wie früher. Früher waren die
Supermarkttankstellen locker 10-15c billiger als
Deutschland. Heute sind diese so teuer wie die deutschen,
die normalen fast so teuer wie Italien. Und wenn ich
gerade beim Rekapitulieren bin – seit 30 Jahren fahre ich
nach Frankreich, mit Sarkozy fing es an, daß die Polizei
mehr präsent ist und kontrolliert, ebenso fing die Zeit
der Blitzkästen an. Mit Macron kommt jetzt noch die
Begrenzung der Geschwindigkeit auf Landstraßen auf maximal
80 km/h dazu. Die Zeit des unbeschwerten Motorradfahrens
ist vorbei. Man macht das Beste draus, wir haben die Fahrt
genossen. Eric Thane September 2018 |