Ißt Dracula inzwischen Heinz-Ketchup?
(erschienen in MOTALIA
Nr. 105/1998)
Eine
Reise hinter den ehemaligen Eisernen Vorhang, in diesem Fall
Rumänien und Bulgarien, hat immer noch etwas von einem
Abenteuer. Das fängt schon mit den abenteuerlichen Geschichten
an, die man sich vor der Abfahrt alle anhören muß. Da wird von
Mafia, organisierten Banden, bestechlichen Polizisten und
Korruption gesprochen. Von Lebensmittelknappheit und Problemen
mit der Benzinversorgung wird vom Hörensagen berichtet, und
außerdem die Frage gestellt, was man denn machen würde bei
technischen Problemen. Trotz vieler gutgemeinter Hinweise
nahmen wir uns schließlich nur die notwendigsten Dokumente,
einen Schutzbrief und Tütengerichte für zwei Tage als
Notration mit, streng nach dem Motto: Dort leben auch ganz
normale Leute. Wir, das waren Susann auf einer GS 500 E aus
Berlin, Bernd aus Köln mit seiner Tènéré und ich auf meiner
altbewährten 1000 S, wollten auf den Balkan, um nachzuschauen,
wie sie dort leben und der obigen, wichtigen Frage auf den
Grund zu gehen.
Anfang August
brachen wir auf in Erwartung eines schönen, heißen Urlaubes. Diese
Erwartung wurde schon in Regensburg nachhaltig getrübt, als wir
einen einstündigen Gewitterguß in einer Raststätte absaßen.
Deswegen reichte es an diesem Tage gerade mal bis nach Linz,
obwohl wir von unseren österreichischen “Freunden” die leider
notwendigen Pickerl für satte 36 DM (und zwar zahlbar in Bar und
nicht auf Scheck oder Karte) erwarben. Am nächsten Morgen
starteten wir durch in Richtung Ungarn, wir hatten uns als
Etappenziel Budapest gesetzt, da wir diese Stadt alle noch nicht
kannten. Auch die Ungarn lassen sich den Autobahnbau bezahlen,
aber am Nachmittag und um 15 DM pro Motorrad ärmer kamen wir
schließlich in Budapest an und nutzten das letzte Tageslicht, uns
noch etwas umzuschauen. Schöne Stadt, die auch einen längeren
Besuch ausfüllen würde. Etwas befremdend waren allerdings die
ganzen Prostituierten mitten in der Fußgängerzone. Das zog sich
auch am nächsten Tag als wohl längster Straßenstrich der Welt die
ganze Nationalstraße entlang bis zur Grenze. Nach insgesamt 1300
Kilometern kamen wir dann endlich an der rumänischen Grenze an und
nach Zahlung von 63 DM (Cash und West bitte) erhielten wir auch
das nötige Visa und tasteten uns vorsichtig nach Rumänien hinein.
Durch Oradea
hindurch ging es auf einen Campingplatz nach Baile 1. Mai, einem
Thermalbad, unserem teuersten Campingplatz, auf dem wir, noch in
Unkenntnis der Preise, umgerechnet 20 DM bezahlten. Abends wurden
wir gleich noch von einer total freundlichen rumänischen
Großfamilie zum Essen und Trinken (Selbstgebranntem) eingeladen.
Am nächsten Morgen gönnten wir uns noch kurz ein herrlich
entspannendes Bad im heißen Thermalbad und machten uns dann auf,
über eine kleine Abkürzung wieder Richtung Norden zur
Nationalstraße zu kommen. Die krasseste Fehlentscheidung der
ganzen Reise. Wegen schlechter Ausschilderung und mangelndem
Kartenmaterial kamen wir nach drei Stunden gröbster Schlagloch-
und Schotterstrecke noch weiter südlich auf die ursprüngliche
Straße zurück und entschlossen uns ganz spontan, nicht eine
Rundreise im Uhrzeigersinn zu machen sondern genau andersherum. Im
Nachhinein gesehen brachte uns diese Entscheidung bestimmt fast
1000 Extrakilometer ein. Zurück auf der “Europastraße”, die von
Bodenwellen und Schlaglöchern nur so übersät war, kämpften wir uns
an diesem Abend noch bis nach Geoagiu, wobei wir zum Schluß auch
noch in die Dämmerung kamen, was generell ziemlich gefährlich ist
wegen der ganzen Kuhherdenabtriebe und der anderen unbeleuchteten
Gefährte. In Geoagiu war keiner der eingezeichneten Campingplätze
vorhanden, nur ein ziemlich benutzter Wildcampingplatz, der nicht
zum Verweilen einlud. Wir machten aber noch ein Hotel ausfindig,
in dem wir zu dritt in einem Zweibettzimmer für umgerechnet 15 DM
übernachten durften - perfekt! Wir beschlossen, das Angebot noch
einen Tag länger zu nutzen und einen Tagesausflug von hieraus zu
machen.
Es ging erst nach
Albu Lulia, wo wir die alte Festungsanlage besichtigten mit ihren
zwei großen Kirchen (naja) und dann weiterfuhren nach Sibiu,
ehemals Hermannstadt, die einstige Hauptstadt Siebenbürgens. Vom
Papst erhielt sie in den Zeiten als die Türken tief in den Balkan
eindrangen, die pathetische Bezeichnung “Schutzwall aller
Christen”. Diese Stadt hat uns mehr begeistert. Schöne alte
Häuser, die Innenstadt praktisch autofrei mit schöner
Fußgängerzone und Plätzen. Wir genossen ein leicht überteuertes
Essen und die Stimmung in der Stadt. Entgegen unserer guten
Vorsätze von wegen Salmonellen und so, zogen Susann und ich uns
ein Softeis nach dem anderen rein. Zum Glück ohne größere Folgen.
Am Abend aßen wir ganz schmackhaft in der Nähe unseres Hotels.
Am nächsten Tag
folgte ein schöner Fahrtag mit, für die allgemeinen Verhältnisse,
guten, kurvigen und leicht bergigen Straßen über Hateg, Tirgu Jiu,
Rimnicu Vilcea nach Cozia auf einen Campingplatz direkt an einer
Raststätte, wo wir den ganzen Abend über mit lauter Musik
beschallt wurden. Aber angesichts der Campingplatzdichte im Lande
und der Erfahrung, daß man sich auf die Symbole auf der Karte und
im Führer überhaupt nicht verlassen konnte, wurde wir genügsam und
nahmen was man kriegte. Gerade die sanitären Anlagen befanden sich
in 90% der Fälle in katastrophalen Zustand, und man durfte nicht
so genau hinschauen und sollte, wenn möglich, auch die
Geruchsnerven autosuggestiv totstellen können. Warmes Wasser
tauchte auf höchstens 5% der Plätze mit Glück auf. Nach einem
kurzen Besuch des bekannten und recht schönen Klosters von Cozia
fuhren wir weiter nach Norden, um bei Scoreiu wieder nach Süden
auf den Transfarragan abzubiegen, eine phantastische Hochstraße
mit Paß, Serpentinen und diversen Tunneln. Fahrspaß pur. In Curtea
de Arges mußten wir wieder einmal in ein Hotel, da auch hier kein
Campingplatz zu finden war, und es langsam dunkel wurde.
Nach der
Besichtigung der Bischofskirche ging es weiter Richtung Brasov.
Hier schlug das Wetter wieder einmal grausam zu, und wir mußten
den Paß bei Bran im dicksten Dauerregen überqueren. Schade, denn
das, was wir noch erkennen konnten, versprach bei Trockenheit viel
Fahrspaß und eine herrliche Landschaft. In Bran haben wir uns von
außen die Burg betrachtet, die als Draculaschloß erklärt wurde.
Das originale Schloß des Pfählers Vlad Tepes gibt es woanders nur
noch als Ruine. Bei Brasov Richtung Sinaia fanden wir den besten
Campingplatz unserer Reise zu einem akzeptablen Preis von 11 DM,
warmes Wasser und funktionierende Toiletten inklusive. Von hier
schauten wir uns am nächsten Vormittag Brasov, ehemals Kronstadt,
an, eine schöne Stadt mit gut restauriertem Stadtzentrum und
hervorragend aufmerksamen Polizisten. Wir durften einen
kennenlernen, der erkannt hatte, daß unsere Motorräder am Rande
des zentralen Platzes im Parkverbot standen und sie solange im
Auge behielt, bis wir kamen. Das folgende Kennenlernen kostete uns
dann knappe 4 DM pro Motorrad gegen Quittung. Dafür gab es
perfekte Bewachung.
Am Nachmittag ging
es nach Sinaia, wo wir fast eine Stunde damit zubrachten, das
Schloß Peles auf total unwegsamen Wegen zu suchen und dafür mit
einem schweren Regenguß belohnt wurden, der uns dank des weisen
Entschlusses, die Regenkombis zum Trocknen am Campingplatz zu
lassen, bis auf die Haut durchnäßte. Schloß Peles fanden wir dann
auch schließlich durch die gute Ausschilderung, die eigentlich
jeder sieht, der nicht total blind ist. Dies war das Sommerhaus
von Ceausecsu, ein Schloß, ursprünglich von Carol I nach
Vorbildern bayerischer Schlösser errichtet, und das noch nicht
lange zu besichtigen ist, weil bis letztens noch Sperrgebiet. Nett
anzuschauen, aber schon irgendwie total kitschig.
Am folgenden Tag
hatten wir nur ein Ziel, die Schlammvulkane bei Buzau. Auf relativ
guten Straßen ging es recht zügig vorbei an
Marlboro-Reklameschildern (“Come to Marlboro-Country” - netter Tip
angesichts durchschnittlichem Monatseinkommen von 100 DM) nach
Pirscov, von wo wir schließlich 14 km Schotterpiste mit
Serpentinen hinter uns bringen mußten, bis wir an die blubbernden,
sprudelnden, warmen Schlammspeier kamen, die auf jeden Fall einen
Besuch wert waren. Umgeben von schöner Landschaft mit weniger
schönen Anlagen zur Ölförderung und dementsprechender
Umweltverschmutzung ergießen sich hier kontinuierlich Schlammbäche
durch ausgewaschene Pfade. Leider hatten wir nicht genug Wasser
und Nahrung, sonst hätten wir dort oben übernachtet. Unten an der
Straße angekommen, entschlossen wir uns kurzfristig, noch schnell
die 110 Kilometer nach Bukarest hinter uns zu bringen. Das ging
gut bis zur Stadtgrenze, dann setzte die Dunkelheit ein. Susann
brachte eine Schlagloch-Bahnschienen Kombination, über die Bernd
dank Federwege noch leidlich hinüberkam, einen kurzen Flug in Höhe
von 0,5 Metern mit entsprechend harter Landung ein. Aber zum Glück
war nichts passiert. Vorsichtiger tasteten wir uns weiter, fanden
die richtige Abfahrt zum Campingplatz nicht, und erreichten nach
diversen Fragen und Wirrungen und ewiger Suche ein geschlossenes
Kinderferienlager, in dem wir nach harten Verhandlungen für 15 DM
(ursprünglich 25 DM) übernachten durften. Es gab kein Licht, kein
Wasser, wir holten uns ein belegtes Brötchen in einem
nahegelegenem Kiosk und einige Flaschen roten Murfatlar, mit dem
wir unsere Anspannung und unsere Kekse mit dem gekauften,
handgemachten Frischkäse hinunterspülten. Danach fielen wir tot in
die Betten in der mückenverseuchten Hütte.
Am nächsten Morgen
schien die Sonne, und die Welt sah wieder freundlicher aus. Wir
brachen inklusive Gepäck auf den Motorrädern zu einer kurzen
Visite nach Bukarest auf. Die Stadt empfing Bernd mit einem Nagel
in seinem Hinterreifen, dem er mit Reifenpilot entgegenwirkte.
Dann ließen wir uns von einem Taxifahrer zu einer Stadtrundfahrt
verleiten, stellten die Motorräder auf einem bewachten Parkplatz
ab und wurden zwei Stunden durch die Stadt gefahren. Wir sahen
Ceausecus neue Stadt, für die er große Teile der Altstadt
planieren ließ. Er selbst ließ sich im Zentrum dieser neuen Stadt
einen Palast mit mehreren tausend Zimmern bauen, zu dem eine
vielspurige Prachtstraße führte. Sehenswert und doch erschreckend,
was dieser kleine Wahnsinnige für Gigantomanie umsetzte. Auf
intensives Nachfragen zeigte uns unser “Führer” dann auch noch
ältere Kulturdenkmäler wie Kirchen und die alte Karawanserei. Nach
der Tour führte er uns dann aus Bukarest heraus zu einem
Reifenflicker, da der Reifenpilot doch nicht die versprochene
Wirkung hatte. Bei der Bezahlung gab es dann noch einmal Probleme,
weil unser neuer Freund (Originalton:”..believe me my friend”)
doch fifteen mit fifty verwechselt hatte, sorry. Aber man ist ja
als Deutscher als ehrliche Haut bekannt, so durften wir ihn noch
runterhandeln auf 35 DM, für drei Stunden immer noch überzogen in
Anbetracht des oben erwähnten Durchschnittseinkommens, aber .....
naja. Das Reifenflicken kostete übrigens 3,50 DM für eine gute
halbe Stunde Arbeit. Das Wetter war uns gnädig, und wir kamen
gerade noch bei Anbruch der Dämmerung auf einen Campingplatz in
Costinesti am schwarzen Meer an, einer Wiese mit Wasserhahn und
Plumpsklo. Am Abend belohnten wir uns für das überstandene
Bukarest mit einer kleinen Freßorgie an den ganzen Strandbuden
(besonders empfehlenswert hier die fritierten Sprotten für 50
Pfennig).
Da uns der
“Campingplatz” aber wegen der direkten Bahngleisanbindung (10
Meter) und der wenig umfangreichen sanitären Anlagen nicht recht
zum längeren Verweilen einlud, zogen wir am nächsten Morgen weiter
und fanden im 20 Kilometer entfernten Jupiter einen ansprechenden
Platz (Ferienorte dort alle mit Planetennamen), dessen Duschen am
Nachmittag sogar warmes Wasser spendeten. Vier Tage entspannten
wir hier mit Nichtstun und erledigten hier auch die Urlaubspost
(von der übrigens keine einzige Karte ankam). Bernd entdeckte eine
neue alte Liebe, das Jetskifahren, das er jeden Tag betrieb. Ich
wechselte mit einem kurzen Gedanken an die Freunde der
Urlaubsschrauberei schnell einen meiner undicht gewordenen
Benzinschläuche und widmete mich dann wieder intensiv dem
Faulenzen. Leider wurde es schon am zweiten Tag recht stürmisch
und frisch, aber wenn man schon am Meer ist, kann man am Strand
auch ein bißchen frieren. Wofür ist man sonst hier?
Irgendwann
erinnerten wir uns unseres Programmes und brachen auf nach
Bulgarien. Die Grenze war ja nur 20 Kilometer entfernt. Der
Grenzübertritt kostete uns zwei Stunden, erwähnenswert hier
vielleicht nur eine mit einer trüben Brühe gefüllte Betonwanne,
die alle zwecks Desinfektion (!) durchfahren mußten. Später
sprachen wir einen Autofahrer, der dafür sogar eine Gebühr zahlen
sollte. Wir zahlten nichts, das Visum für Bulgarien ist für
Deutsche umsonst. Auf sehr schön aus- und gebauter Küstenstraße
ging es Richtung Süden. In Balcik wollten wir uns ein Schloß
anschauen, der absolute Reinfall, ein etwas besseres Haus. Südlich
von Pomorie gingen wir auf den einzigen Campingplatz in der
Gegend, super gelegen direkt am Meer aber wieder Sanitär äußerst
basic. Dafür haben wir uns oberhalb des Platzes einmal quer durch
die ausgestellten leckeren Angebote der Schnellimbisse gefressen.
Am nächsten Morgen das Ränzel geschnürt und vollgepackt auf einen
bewachten Parkplatz in Nessebar gefahren. Wir trieben uns einen
halben Tag hier herum. Ein sehenswerter Ort, der von der UNESCO
als schutzwürdig eingestuft wurde, wenn nur nicht alles so
touristisch wäre. Hier sind wir dann auch leicht in Kaufrausch
verfallen und haben diverse T-Shirts gekauft. Bernd mußte seine
Nachlässigkeit beim Schwarztauschen mit 200 DM bezahlen. Auch hier
gilt die goldene Regel: Eigenes Geld geht erst nach dem Nachzählen
des anderen Geldes über den Tresen. Der Schwarztauscher nutzte
eine initiierte Verwirrung und schob ihm ein vorbereitetes anderes
Bündel zu. Am Nachmittag ging es dann noch über gut ausgebaute,
langweilige Straßen vorbei an vielen abgebrannten Stoppelfelder
nach Kazanlak. Dort nahmen wir den ersten und einzigen
Campingplatz, der sich als so eine Art Camping auf dem Bauernhof
herausstellte. Statt Zelten für 2 DM leisteten wir uns einen
Bungalow für 6 DM (mit warmem Wasser - wenn das kein Argument
war). Dafür waren wir dann abends in einem naheliegenden
Restaurant essen, das im Gegensatz zu den bisherigen rumänischen
offensichtlich einen Koch beschäftigte.
Die Unterkunft
gefiel uns so gut, daß wir beschlossen, von hier aus einen
Tagesausflug nach Koprivistica zu machen, einem sehr schönen, in
den Bergen gelegenen, alten Ort mit gut restaurierten Holzhäusern.
Auch die Strecke gab wieder einiges zum Motorradfahren her, es
ging durch das leider schon abgeerntete Rosental, das im Sommer
übersät sein soll von Rosen- und Lavendelfeldern zur Gewinnung von
ätherischen Ölen. Auf dem Rückweg machten wir noch einen Abstecher
in die Berge, inklusive entsprechender Paßstrecke, nach Trojan zum
gleichnamigen Kloster. Etwas abseits gelegen beeindruckt es durch
die vielen Bemalungen, außen wie innen. Es gab sogar die
Möglichkeit, dort für ca. 9 DM im Doppelzimmer zu übernachten,
wenn wir das gewußt hätten.... Zurück ging es wieder über den Paß,
wo wir noch einen kurzen Stop an einem riesigen Betondenkmal
machten, das an den Aprilaufstand Bulgariens gegen die Türken im
Jahre 1876 erinnert. Ein Ereignis, auf das die Bulgaren unheimlich
stolz sind und dem überall Denkmäler gewidmet sind. Hier haben die
bulgarischen Klöster auch eine wichtige Rolle als konspirative
Sammelstellen gespielt. Einen kurzen, heftigen Regenguß
konnten/mußten wir mangels Regenkombis (trocken eingelagert im
Bungalow) in einer Bushaltestelle abstehen. Bei Dämmerungseinbruch
hatte auch ich noch einmal das zweifelhafte Glück, kurz vor
unserem Ziel einen Metallsplitter in meinem Hinterreifen zu
finden, ein Problem, das Dank einem kleinen Einvulkanisierstopfen
innerhalb von einer Viertelstunde gelöst war. Zehn Kilometer
weiter kamen wir bei vollkommener Dunkelheit schon wieder an
“unserem” Restaurant an und genossen Schweinelende und Kawarma
(Fleischtopf mit Rotwein) desgleichen aber auch in flüssiger
Materie im Glas, in Form von Merlot.
Letzte Station in
Bulgarien war Veliko Tarnovo. Auf dem Weg dahin machten wir noch
Stops im Museumsdorf in Etara (abhaken - teuer und naja) und der
Klosteranlage von Drjanovski (muß man auch nicht gesehen haben).
Auf dem Weg wurden wir auch das einzige Mal von der Polizei
angehalten, die aber anhand der Vielzahl der Papiere schnell
kapitulierte und flüchtete. In Rumänien ist die Polizei noch
präsenter, wir hatten aber immer Glück oder wurden von
Entgegenkommenden gewarnt. Man sollte aber immer ein waches Auge
für die Jungs haben. Die Bulgaren haben Radarfallen, bei den
Rumänen haben wir keine gesehen. In und um Veliko Tarnovo
verbrachten wir über eine Stunde mit der Suche nach einem der zwei
verzeichneten Campingplätze. Diese endete ergebnislos, bis darauf,
daß wir von einem Wolkenbruch ohne Zeit zum Regenkombi-Anziehen
wirklich überrascht wurden und pitschnaß durch große Wasserpfützen
den Weg in die Innenstadt suchten. Schließlich fanden wir in einem
privaten Hotel (3 Sterne) Unterkunft , das sich als
1-Zimmer-Wohnung heraus stellte, zwei Betten in einem Zimmer und
eines in der Küche. Die Motorräder konnten wir hier aber zum Glück
im Hof abstellen. Kurz noch die Sachen alle zum Trocknen
aufgehängt und dann unter Führung eines gut deutsch sprechenden
älteren Hausbewohners einen ersten Blick in die Stadt geworfen.
Die Stadt ist auf mehreren Hügeln gebaut worden und fasziniert
unter anderem dadurch, daß die Häuser zur Straßenseite zwei und
zum Fluß hin, der die Hügel trennt, oft sechs und mehr Geschosse
hatten. Wir waren so angetan, daß wir noch einen Tag länger
blieben. Ich nutzte die Zeit auch, um mir die Haare schneiden zu
lassen, was tatsächlich 60 Pfennige kostete. Taschendiebe scheinen
diese Stadt und ihre Touristen auch zu lieben, Susann störte zwei
Stück nacheinander bei der Bearbeitung ihres Rucksackes. Sie sahen
übrigens beide aus wie gutgekleidete Frauen beim Einkaufsbummel.
Von hier aus ging
es dann in einem Rutsch wieder zurück nach Jupiter (ach ja, der
Platz mit dem warmen Wasser). Mittagspause machten wir noch in
einem Straßenlokal, das uns für den letzten Schoppskasalat in
Bulgarien den doppelten Preis abknöpfte. Es war aber eh das letzte
Geld. Die Grenzformalitäten hätten recht kurz sein können, wenn
nicht der Grenzer am letzten Grenzübergang uns eine falsche
Auskunft gegeben hätte. Er hatte uns nämlich gesagt, daß wir mit
unseren Visas noch ein zweites Mal einreisen könnten. Stimmte aber
nicht ganz, nur wenn die Visas von der Botschaft in Deutschland
für multiple entry ausgestellt worden wären. So bekamen wir zwar
unsere Visas, aber ohne Bezahlstempel, zahlbar bei Ausreise. Noch
ein weiterer Schicksalsschlag traf uns an diesem Tag. Auf dem
Campingplatz gab es kein warmes Wasser, die Saison war zu Ende
(1.9.) und der Platz fast leer. Wir ertränkten unseren Frust mit
Rotwein, schlugen uns die Wampe voll und beschlossen, trotzdem
noch einen Tag zum Erholen zu bleiben. Der nächste Tag war
wirklich zum Erholen, da er fast komplett verregnet war - Pech.
Unser letztes Ziel
auf der Reise, bevor es wieder nach Hause gehen sollte, war das
Moldaugebiet mit seinen vielgepriesenen Klöstern. An einem Tag war
das nicht zu schaffen. Wir fuhren wieder zurück durch die platte
Donauebene mit ihren vielen Gänsen und Ziehbrunnen und hielten
nachmittags Ausschau nach einem Campingplatz, aber wieder
versagten alle Karten, und schließlich campten wir umsonst auf
einer leicht sumpfigen Wiese hinter einem Restaurant, kauften
dafür dort aber die Getränke, die wir zu unseren Pilzspaghetti
benötigten. Die Pilze (1 Kilo) hatten wir vorher an der Straße
einer Bäuerin für 1,50 DM abgekauft und hatten beim Kochen wegen
unserer mangelnden Pilzerfahrung schon ein etwas mulmiges Gefühl,
aber warum sollten Bauern Giftpilze verkaufen? Wir wachten am
nächsten Morgen alle wieder wohlbehalten auf und setzten unseren
Weg nach Suceava fort. Hier war ein Campingplatz zum Glück schnell
gefunden, wenn auch mit 10 DM für kaltes Wasser und extrem
mückenverseuchten Klos etwas überteuert. Aber von hier aus konnten
wir am nächsten Tag, strategisch günstig, unseren Klostertag
beginnen. Die Klöster sollten durch ihre großartigen
Außenbemalungen glänzen, wobei sie sich nach Führer auch noch
durch ihre Hauptfarbe unterscheiden sollte. Wir sahen uns die
Klöster in der Reihenfolge Sucevita (landschaftlich schön gelegen
mit massiven Befestigungsmauern), Moldovita (klein und naja) und
Voronet (angeblich eines der schönsten) an, wonach wir so
enttäuscht waren durch die hohen Erwartungen, die der Führer
geweckt hatte, daß wir auf weitere Besichtigungen verzichteten.
Nicht nur, daß Eintritt und Fotoerlaubnis pro Person 6 DM kosten
sollten (in Bulgarien umsonst), auch vom Zustand der Malereien und
den Farben war Trojan in Bulgarien besser. So genossen wir
hauptsächlich die Gegend, die zum Fahren einlud, kauften zum
Schluß noch 1 Kilo Pfifferlinge für satte 2,50 DM und machten
abends am Campingplatz wieder mal die bewährten Pilzspaghetti,
diesmal mit einem erdigen Pfifferlinggeschmack.
In den
darauffolgenden zwei Tagen ging es einfach auf der Straße, der
Grenze entlang, durch das Moldaugebiet. Supergegend mit
brauchbaren Straßen. Das heißt aber nicht, daß die Federung nichts
zum Arbeiten hätte. Bernd sprang des öfteren seine ausgeleierte
Kette vom Rad, so daß wir häufiger Zwangsstops einlegen mußten.
Abends übernachteten wir auf dem einzigen “Campingplatz” an der
Strecke bei Sighetu umsonst, weil eigentlich nur Hütten vermietet
wurden. Dafür schlugen wir uns im dazugehörigen Restaurant den
Bauch voll mit Ciorba, einer angesäuerten Suppe (recht
gewöhnungsbedürftig), Maisbrei, gebratenen Forellen mit
Bratkartoffeln und Bier für 30 DM. Pappsatt ging es ins Bett.
Bernd erstand hier
morgens noch einen gewebten Teppich, und weiter ging es. Der erste
Grenzübertritt bei Valea lui Mihai klappte nicht, da dieser
Grenzübergang nur für den kleinen Grenzverkehr ist. Wir mußten
wieder bei Oradea über die Grenze. Bei der Kontrolle an der Grenze
kam ich als erster noch ohne Stempel durch, nur beim nächsten
merkte der freundliche Beamte, daß da ein Stempel fehlte, und die
beiden anderen mußten Visas nachlösen. Wenigstens eine Person
gespart, die Kosten wurden natürlich geteilt. In Ungarn schafften
wir noch 60 Kilometer, bevor wir auf einen Campingplatz mit
angeschlossenem Thermalbad gingen. Supersache, nach einer Woche
ohne warmes Wasser. Wir quollen im 38° C warmen Wasser nur so
dahin.
Die Strecke durch
Ungarn zurück fuhren wir noch alle gemeinsam, bevor Susann und ich
vor der österreichischen Grenze rechts nach Bratislava in der
Slowakei abbogen. Ich habe dort noch etwas Campingzeug gekauft,
das in der Slowakei und Tschechin um einiges billiger ist als
hier. Wir übernachteten in Wien bei einem Bekannten, was gerade
mal 50 Kilometer entfernt war und fuhren am nächsten Tag nach
Hause. Susann brauchte für ihren Heimweg nach Berlin etwas länger,
mit abgearbeitetem Kettenrad immerhin acht Stunden für die letzten
450 Kilometer, tja, Kettenfahrer kriegen von allem etwas mehr.
Fast 8.000
Kilometer auf teilweise miesesten Straßen hat die Guzzi ohne
weitere Schäden so überstanden. Der Hinterreifen hielt noch bis
nach Hause, auch wenn er des öfteren nach etwas Nachfüllen
verlangte. Erstaunt hat mich, daß das Interesse an den
Motorrädern, das generell immer da war, oft speziell die doch
recht unscheinbare, schwarze Guzzi zum Mittelpunkt hatte. Obwohl
ich gerne 100 Millimeter mehr Federweg gehabt hätte, war es ein
schöner Urlaub, der kleine Einblicke in die postsozialistische
Realität gab, die teilweise einen recht krassen Gegensatz zwischen
arm und reich, Dorf und Stadt und Küstenregion und Binnenland
zeigt. Landschaftlich und fahrerisch besonders reizvoll sind
natürlich die Bergregionen wie die Karpaten und der Balkan aber
auch das Moldaugebiet. Lohnenswert sind meines Erachtens die alten
deutschstämmigen Städte, die Schlammvulkane und die Moldaugegend
in Rumänien. In Bulgarien auf alle Fälle Veliko Tarnovo,
Koprivistica und die bulgarischen Klöster. Nessebar auch, wenn man
sich von den vielen Touristen nicht stören läßt. Mein Eindruck
war, daß die Straßen in Bulgarien in besserem Zustand sind, man
kann es auch mal nachts wagen zu fahren. Bulgarien an sich wirkte
irgendwie ärmer als Rumänien (statistisch nicht nachzuvollziehen),
wobei wahrscheinlich das Erscheinungsbild der Häuser zu einem
Großteil dazu beiträgt. In Rumänien wirken fast alle Häuser und
Straßenzüge durch die frischen Anstriche sehr gepflegt, in
Bulgarien ist fast alles grau in grau. Ich habe noch nie so viel
pfiffige und mutige Architektur mit Türmchen, Säulen oder
verschiedensten Dachformen wie in Rumänien gesehen. Natürlich gibt
es auch Plattenbauten, aber auch hier gibt es architektonisch
zwischen beiden Ländern die gleichen Unterschiede. In Rumänien ist
die Auswahl in den Geschäften geringer, dafür ist Bulgarien etwas
teurer. Satt sind wir immer geworden. In Rumänien muß man auf
bettelnde Kinder gefaßt sein, wohingegen in Bulgarien keine
Bettler zu sehen waren (Vielleicht gibt es dafür mehr
Taschendiebe). Daß ich alle Preise in DM angegeben habe, geschah
nur der Einfachheit halber. Eine DM waren etwa 4000 Lei (rum.),
1000 Leva (bulg.) oder 100 Forint (ung.). Wir haben pro Person ca.
1.200 DM für vier Wochen ausgegeben, inklusive allem (auch Benzin
und Öl), wobei Alkohol noch zu den teuersten Nahrungsmitteln
zählte, und wir nicht gespart haben. Benzin kostete 1,40 DM in
Ungarn, 0,70 DM in Rumänien und 1,05 DM in Bulgarien.
Benzinversorgung war kein Problem. Die 1000 S hatte durch das sehr
gemäßigte Tempo mit 400 Kilometern (4,1l/100 km) ohne Reserve
teilweise eine größere Reichweite als Bernds Tènéré. Von den
Führern (Ronny Müller: Reisehandbücher Rumänien und Bulgarien)
waren wir nicht besonders begeistert. Sie waren unübersichtlich,
ungenau und ergingen sich oft in allgemeines Gelaber. Alles in
allem ein Urlaub für Leute, die mal die ausgetretenen Pfade
verlassen wollen und offen sind für Ungewöhnliches.
Eric Koch & Susann Hinz
Januar 1998
PS: Die oben stehende Frage war nicht mit letzter Sicherheit zu
beantworten, wobei - wenn er genug Geld hätte, könnte er ihn auf
alle Fälle käuflich erwerben. Einheimisches Ketchup ist aber auf
jeden Fall günstiger und auch tomatiger.