Karte |
Formule1
erschienen in der Motalia Juni 2005
Als bekennender Frankreichfreund, speziell
was Straßen- und kulinarische Genüsse angeht, zieht es mich
auch Anfang jeden Jahres in den Süden, wenn die Natur dort
normalerweise schon einiges weiter ist als hier. Als Termin
hat sich eine der Osterwochen ergeben, in der ich dieses Jahr
schon zum 10. Mal mit unterschiedlichen Freunden den Weg an
Lyon vorbei suche, um durch die Ardéchègegend, die Cevennen
oder die Provence zu streifen. Dieses Mal hat Roger, ein
holländischer Freund auf seiner 1000S, mich begleitet.
„Irgendwas läuft falsch“ denken wir und
schauen wieder aus dem Fenster des Formule1 in Valence.
Draußen schneit es dick und fett. Und das hier, 150km
vor dem Mittelmeer. Irgendwas stimmt doch nicht, wir
sind vor zwei Tagen bei 20°C in Mainz losgefahren und
auf den bisherigen 800km wurde es immer kälter und nun
das. Es stellt sich wieder einmal die Sinnfrage. Wir
suchen den Sinn in der Wettervorhersage am Abend und
diese macht uns wieder Hoffnung. Entlang des Mittelmeers
soll es die kommenden zwei Tage sonnig sein. Es gibt ein
Leben nach dem Schnee! Am kommenden Morgen packen wir unter den mitleidigen Blicken der frühstückenden Mitbewohner im Schneefall unsere Motorräder. Es gibt keine Experimente, wir fahren direkt auf die sonst verpönte Autobahn gen Süden. Roger verzichtet auf das 100.000er Foto, er hat auch keine Lust anzuhalten. Nach 100km wird es hinter Avignon schließlich so trocken, daß wir wieder auf die Landstraße gehen. In Apt nehmen wir einen ersten Café au lait zu uns, aber für die Terrasse ist es noch etwas zu windig. Auf kleinen Landstraßen geht es über Rians, Salernes, Draguignan und Grasse nach Vence auf einen Campingplatz. Der Platz ist leider etwas außerhalb, so müssen wir abends mit den Motorrädern in die Stadt. Vence hat den Ruf einer Künstlerstadt und die vielen Galerien werden ihm gerecht. Auch sonst gefällt sie uns mit ihren vielen kleinen Gassen. Als eines der besten Restaurant auf der Reise können wir das Cassolette empfehlen, wo es ein wirklich vorzügliches Mahl mit einem sehr aufmerksamen Inhaber gab. |
Zum Warmwerden fahren wir am nächsten
Morgen auf ganz kleinen Straßen von Carros über
Aspremont nach Contes, um über Peille nach Monaco
reinzufahren. Eine schöne kleine Strecke, die uns die
Küstenstraße erspart. Im Moncaco laufen wir mit unseren
schraddeligen Guzzis vor dem Spielcasino ein und parken
bei den ganzen Rolls und Bentleys. Hier kommt alles nur
auf die Show an, nicht ganz unsere Welt und nach ein
paar Fotos geht es bei Menton wieder hoch in die Berge
bis auf den Col de Turini. Schon wieder Schnee, scheint
uns zu verfolgen, dabei ist der Pass nur 1600 Meter
hoch, schnell wieder runter ins Tal, wo wir bei
Roquebilliéré übernachten. Ausgerechnet heute am Montag
hat das einzige Restaurant Ruhetag, aber der Shoppi ein
paar Kilometer weiter liefert alles nötige zum
Sattwerden. Trotz
der 610 Meter über NN ist die Nacht nicht so kalt wie
befürchtet. An St. Martin vorbei in einer Schleife
wieder zur Nationalstraße, wo wir in Carros tanken,
bevor es wieder auf kleine Nebenstraßen geht. Durch Le
Broc und Bouyon nach Roquesteron geht meine
Lieblingsstrecke auf der ganzen Reise. Guter Belag,
fahrerisch wertvolle Streckenführung mit wunderschöner
Landschaft, und das bei Sonnenschein, was will man mehr?
Bei Puget biegen wir wieder auf die Nationalstraße ein,
fahren hoch durch den Gorges de Daluis. Der rote Fels
sieht am Nachmittag in der Sonne einfach klasse aus und
reizt zu diversen Fotostops. Bei Guillaume biegen wir nach Norden ab, wir wollen trotz des „Col Fermé“ Schilds mal versuchen, ob man nicht doch über den Col de Champs kommt. Aber fünf Kilometer vor dem Paß liegt Schnee auf der Straße und auf die letzten 300 Höhenmeter dürfte das nicht besser werden. Wir drehen in Sichtweite des Passes um und fahren über den Croix de Valberg durch den Gorges du Cians zurück in die Wärme. Oben bei Valberg sah der Himmel schon wieder nach dem schlimmen S-Wort aus. Aber unten pfeift zwar der Wind scharf durch das Tal der Var, aber wir finden auf dem Campingplatz hinter Entrevaux einen relativ windstillen Platz, wo wir unsere Zelte aufstellen können. Ein Fußweg führt am Ufer entlang in die Stadt, und jetzt haben wir etwas mehr Zeit als vorhin beim Vorbeifahren, um uns dieses, das Tal beherrschende, Fort und die Stadt anzuschauen. Direkt auf einer Handelsroute gelegen diente es in der elektronikfreien Zeit früher wohl als Mautstation. Besonders beeindruckt hat uns die Festung, die wie ein Adlerhorst oben auf dem Bergkamm sitzt. |
Wir wollen wieder Richtung Küste und
versuchen den direkten Weg zu nehmen. Von Entrevaux
immer südlich auf kleinsten weißen Straßen. Die Strecke
bis Brianconnet ist aber nur anstrengend, erst an St.
Auban über den Col de Bleine vorbei bis nach St. Vallier
wird es schön. Das kurze Stück Route de Napoleon bis zur
D2563 ist schnell und kalt. Bis Fayence reißt uns die
Strecke auch nicht vom Hocker, oder eigentlich schon,
denn sie ist eher für Endurofahrwerke. Dafür ist die
kleine D19 nach Bergamon brauchbar. Über Comps fahren
wir auf die Südseite des Gorges du Verdon ein. Die
Straße und die Aussichtpunkte bieten immer wieder
beeindruckende Blicke hinunter in die Schluchten. Leider
muß man immer wieder um Salzhaufen herum zirkeln, die
zur Eliminierung des immer noch liegenden Schnees
eingesetzt wurden. Der starke Wind verstärkt die Kälte
auch noch. So sind wir froh, bei Aiguines wieder auf
Seelevel zu kommen. Ein kurzer Blick nach Moustier und
die Entscheidung, daß es hier zu kalt ist zum Zelten,
dann drehen wir nach Süden ab und fahren nach Le Luc, wo
wir auf einem Campingplatz ein angenehmeres Klima
finden. Der E.LeClerc am Ort versorgt uns mit allem fürs
Abendessen. Es ist Zeit an die Rückreise zu denken, und Roger's „letzter Wunsch“ ist, noch einmal das Mittelmeer zu sehen. Bis Cogolin nehmen wir die kurvenreiche D558, ein Stück auf der langweiligen N98 lang, bis wir über den Col du Canadel auf einer kleinen unbelebten, reizvollen Strecke zum Mittelmeer runterschwingen. Die Küstenstraße ist um diese Jahreszeit nicht so belebt, und wir genießen bei Sonnenschein in Le Lavandou einen letzten Blick aufs blaue Meer. Auf kleinen Straßen geht es hoch durch das Massiv des Maures nach Collobriéres, dann über Pierrefeu über Barjols nach Manosque und Apt nach Nordwesten. Wir wollen die letzte Nacht im Süden in St. Martin d'Ardéche verbringen, wo wir einen netten Campingplatz kennen (Arneau Bateaux). Die Schneefälle der letzten Woche haben hier auch Spuren hinterlassen, der Boden ist noch ungewöhnlich feucht. Wir verbringen den Abend in bei einem köstlichen Essen zu einem äußerst angemessenen Preis im Le Chaudron auf dem anderen Ufer der Ardéche. |
Die
Rückfahrt ist ereignislos. Wir nehmen die Strecken, die
sich auf der Karte als direkte Verbindung nach Besancon
anbieten, unter Vermeidung der Autobahnen. In Bescancon
leisten wir uns noch einmal ein Formule1, von wo wir
stressfrei mit dem Bus in die Stadt fahren können um sie
zu erkunden. Das Wetter ist so gut, daß wir die letzte
Etappe teilweise durch die Vogesen laufen lassen, aber
irgendwie ist die Luft raus. Kein Wunder nach 3500km in
neun Tagen. Ab Straßbourg geht es auf die Autobahn. Dies als Bericht einer ungewöhnlichen, und doch eigentlich wieder typischen Ostertour, die außer Kälte auch viele Kilometer auf klasse Motorradstrecken durch wunderschöne Landschaften gebracht hat, stellvertretend für die ganzen Touren mit Thommy, Uwe und Peter. Auch unerwähnt: die vielen Stops in den kleinen Orten mit den vielen Café au lait und Croissants bei warmen Frühlingswetter in südfranzösischem Flair auf derTerrasse eines Cafés. Es ist immer wieder schön. Die beiden Guzzis liefen einwandfrei bei allen Wetterverhältnissen, so soll es sein. Eric Koch April 2005 |