XL Big Bore
Wiseco sei Dank
01.07.2015 Anfangsdatum
Man sucht sich
ja immer neue Aufgaben. Nachdem die Guzzi schön optimiert
ist, wende ich mich der XL zu, um mal zu sehen, was man
aus dem Motor machen kann. Es gibt diverse Beschreibungen
mit einem Umbau auf die 100er Kolben des Schwestermodelles
PD03. Ich hatte mich da 2001 schon mal ran gewagt, aber
aus Unwissenheit einen 101mm Wiseco Kolben als Basis
genommen, der eine andere Kompressionshöhe als der PD04
Motor hatte. Der Zylinder der PD04 würde durch das
Aufbohren nur noch eine Buchse von 1,5mm Wandstärke haben.
Der PD03 Zylinder paßt aber ebenfalls auf das PD04 Gehäuse
und hat eine größeren Durchmesser der Laufbuchse (siehe
auch Vergleichsbild
unten).
Als erstes fliegt mir ein PD03 Zylinder zu (via Hermes Boten).
Leider ist er unrund und würde schon die zweite Übergröße
benötigen. Ein Dominator RD02 Zylinder, den ich ebenfalls
habe, hat die gleichen Grundmaße und würde auch auf wohl auch
in das PD04 Gehäuse passen (siehe Vergleichsbild).
Beim RD02 Zylinder sind nur die Paßhülsen zum Zylinderkopf
12mm statt 10mm Durchmesser, könnte man zur Not auch einen
Adapter machen. Die Zylinderköpfe der PD03/04
und RD02 haben unterschiedliche Brennraumdurchmesser. Die PD03
hat, 94mm, die PD04 98mm und die RD02 hat 99mm. Ansonsten
unterscheiden sich die PD03 und 04 Köpfe nur durch das (je
nach Baujahr) vorhandene Deko Ventil (siehe auch Vergleichsseite).
Der RD02 Zylinderkopf hat leider den Nachteil des Anschlusses
für den Einzelvergaser und würde für dieses Problem größere
Maßnahmen notwendig machen. Ich will aber meinen originalen
Doppelvergaser weiter verwenden.
Parallel hatte ich Ventildeckel
Austauschbarkeit zwischen PD03/04 und PE04 (XR600) und RD02
(Domi) geprüft, um mal heraus zu finden, ob man Teile der
deutlich öfters verfügbaren RD02 verwenden kann. Meine
Messungen habe ich in die angehängte Tabelle eingefügt. Man
kann zwar die ganzen Kipphebel, die mit A
bzw. mit B beginnen austauschen (sind nicht viele), aber durch
die Ventildeckel haben die PD03/04 Nockenwellen nicht
ausreichende Überdeckungen zu den Steuerketten-seitigen
Nocken. Man braucht also auch die Nockenwelle der RD02. Die
Hilfskipphebel sitzen wiederum an der gleichen Position wie
die PD03/04 und können somit die Ventile aller Zylinderköpfe
betätigen. Kleiner Nachteil ist, daß die Einstellschrauben der
Kipphebel mal M7 und mal M8 fein haben, und damit die
Einstellmutter 10mm oder 12mm.
Mich hat auch interessiert, ob
die leistungsstärkeren XR Modelle andere Nockenwellen haben
oder ob die PD03/04 Modelle unterschiedliche Nockenwellen
haben. In der Tabelle unten sind die Nockenwellen vermessen.
Die Nockenerhebung unterscheiden sich nur um 1/10mm wenn
überhaupt. Nicht vergessen darf man aber, daß die
Hilfskipphebel mit ihren Hebelarmen auch in den Ventilhub
eingehen. Die Nockenwelle der XR paßt ebenfalls nicht vom
Nocken Abstand zu den PD03/04 Köpfen.
Ein schwarzer Rumpfmotor ohne Zylinder, den ich mir als Basis
gekauft habe, zeigt beim Zerlegen Schwächen im
Getriebebereich. Der außen angeschweißte Schalthebel ist
dagegen nur ein kleines Übel, wofür das Ersatzteil schon
bereit liegt. Kurz danach fällt mir ein zweiter kompletter
roter Motor in den Schoß. Er hört sich beim Kauf besser an,
angeblich wurde er vor 1000km überholt und tickert nun im
Kopf. Auch hier war der Grund der Überholung der beliebte
angeschweißte Schalthebel. Beim Zerlegen zeigte sich
Dilettantismus einer angeblichen Fachwerkstatt, die für
angebliche 1000€ zwar denselben ausgetauscht hat, aber beim
Zusammenbauen, das Kabel des Leerlaufschalters direkt an der
Ritzelwelle vorbei geführt haben. Schlimmer ist das
offensichtlich fehlerhafte Anziehen der Einstellschraube eines
Auslaßventils. Diese hatte sich komplett heraus gearbeitet und
lag neben der Nockenwelle. Das äußere Lager von ihr war nicht
mehr auf der Welle, es war auch das nicht gedichtete auf der
Nicht-Steuerkettenseite verwendet. Die Öldüsen außerhalb der
Lager sind nicht montiert. Das ist der Grund, daß ein
Kipphebel eingelaufen ist. Dafür war jede Menge Dirko zu
finden, die Fachwerkstatt hat anscheinend einen Mengenvertrag
für diese Marke gehabt. Wahrscheinlich sah sie das als Ersatz
für die fehlenden Paßhülsen. Der Zylinder mit seinen
Laufspuren sieht man seine 70000km an, er hatte definitiv die
volle Laufzeit erlebt. Statt der originalen Rollenlager hat
der Vorbesitzer Tonnenlager einbauen lassen. Leider wurde das
Geld nicht in eine neue Kolben/Zylinderpaarung verwendet.
Aufgrund der sonstige Kompetenz bei der Überholung,
entschließe ich mich doch, den schwarzen Motor als Basis zu
nehmen. Das Getriebe des roten sieht allerdings aus wie aus
dem Laden, vielleicht sind hier die 1000€ rein geflossen.
Beim Zerlegen des originalen
Motors prüfe ich mittels Kinderknete als erstes den
vorhandenen Ventilfreiraum zum originalen Kolben. Er beträgt
für alle Ventile 3,5mm. Die gemessene Quetschkante sind 1,8mm,
das entspricht nicht ganz dem 1,0mm Kolbenoffset zum Kopf plus
die 0,65mm Kopfdichtung. Um ähnliches mit der vorgegebenen
Zylinder-Wiseco Paarung zu erreichen tüftel ich ein wenig mit
Excel
Tabellen und Berechnungen. Ich habe in meinem Fundus
noch genau den von mir favorisierten Kolben von Wiseco
gefunden. Den hatte ich mal mit einem Domi Zylinder zusammen
gekauft. 101mm, leider mit leichten Laufspuren. Ich schicke
auch ihn wieder zu Picoatec zum
Beschichten. Auf diesen mit Teflon beschichteten Kolben lasse
ich den Zylinder der PD03 mit 7,5/100mm Spiel aufbohren. Das
ist weit auf der sicheren Seite. Für getemperte Kolben hätten
auch 5/100mm gereicht. Ein Satz neuer Kolbenringe kommt auch
mit dazu. Diese Kolben-Zylinderpaarung stecke ich zusammen und
prüfe erneut die Quetschkante. Der Zylinderkopf, den ich dazu
nutze, habe ich vorher überarbeiten lassen, ein Planen von
0,1mm war notwendig. Den Brennraum litere ich aus, es kommt
55,5ml heraus und über meine Rechnereien komme ich auf einen
Kompromiss von Verdichtung von 9,7 und Quetschkante von 2mm
ergibt. Unter 1-1,2mm sollte man nicht gehen. Dabei kommt auch
heraus, daß der Zylinder um 0,7mm oben geplant werden muß für
den besten Kompromiss zwischen Quetschkante und Verdichtung.
Das Mindergewicht
des Wiseco Kolbens (und Bolzens) von 23gr. kompensiere ich mit
Hilfe von zwei Bohrungen in der Schwungmasse der Kurbelwelle.
Zwei 12mm Bohrung mit ca. 10mm Tiefe sollten bei Stahldichte
von 7,8gr/mm2 die Differenz für die Schwingungen erster
Ordnung ausgleichen.
Vergleich Zylinder
|
Vergleich Nockenwellen
|
Vergleich Kolben
|
Maße Kolben
|
Grund Überlegung
|
Als schließlich alle Teile auf dem Tisch liegen, kann ich
endlich los legen. Der schwarze Motor wird mit dem guten
Getriebe des roten Motors wieder zusammen gebaut. Auf das
Schwungrad schraube ich eine Gradscheibe auf, um die
Steuerzeiten zu messen. An den Kopf kommt noch eine Halterung
für die Messuhr, um die Vorgabe 1mm Hub des Einlaßventils bei
5° vor OT zu prüfen. Beim ersten Durchdrehen fährt mir der
Schreck in die Glieder, der Motor läßt sich nicht zu OT
drehen. Stimmen meine Berechnungen doch nicht? Die
Erleichterung kommt nach dem Abnehmen des Zylinderkopfes. Es
ist nur die Knete, die ich wieder zum Prüfen der Freiräume auf
den Kolben gelegt hatte, die den Widerstand beim Komprimieren
ergibt.
Als erstes prüfe ich den OT. Zum Glück paßt eine M12x1,25
Schraube aus der Guzzi Teilekiste, das Gewinde entspricht der
Zündkerze. Diese wird noch ein wenig mit einer Schraube
verlängert, in das Zündkerzenloch geschraubt und dann die
Kurbelwelle vor/zurück gedreht. Die Mitte ist OT. Es stimmt
zum Glück bis auf 0,5°, das liegt aber noch innerhalb der
Ablesetoleranz. Das beste Ergebnis ist beim Einstellen der
Steuerkette, wenn die waagerechten Markierungen des
Steuerkettenrades zum Kopf richtig sind, an der Schwungscheibe
6° vor OT. Das habe ich noch nie so genau geprüft, es kann
sein, daß es von dem gekürzten Zylinder kommt. Aber im
Endeffekt kommt es ja auf die Nockenerhebung vor OT im
vorhandenen Zustand an, die Markierungen sind ja nur
Einbauhilfe. Die Uhr setze ich auf die Einstellschraube des
einen Einlaßventiles, nehme die anderen Einstellschrauben
raus, um möglichst wenig Widerstand zu bekommen. Die erste
Messung ergibt 1mm bei 2° vor OT. Ich mache bei allen
Messungen mehrere Durchgänge und drehe nur im Motor Drehsinn
(entgegen Uhrzeigersinn am Schwungrad) um das Spiel zu
minimieren. Ich vergrößere das Durchgangsloch im
Steuerkettenrad immer weiter bis ich mit ca. 1,5mm
Verbreiterung knapp 5° erreiche.
Beim Zerlegen prüfe ich die Knete, die mir die Restluft des
Kolbens gibt. Die Einlaßventile haben 3mm Luft mit
Null-Ventilspiel, die Auslaßventile inzwischen 4,5mm (statt
der 3,5mm an allen Ventilen vorher). Ich vermute, es kommt
durch die Steuerzeitenkorrektur. Die Quetschkante stimmt
tatsächlich mit meinen Berechnungen zusammen und ist 2mm.
Alles wird zerlegt, die Kolbenringe montiert, in den Zylinder
eingefädelt und der Zylinder montiert. Beim Montieren des
Zylinderkopfes fällt mir auf, daß die neue PD03 Dichtung
(101mm Durchgang) 0,75mm Dicke hat. Die gequetschte alte hat
0,65mm. Das hätte ich mal vorher messen sollen, jetzt habe ich
eine Quetschkante von wahrscheinlich 2,1 (also weit über den
1-1,2mm) und die Verdichtung ändert sich auf 9,6. Der
Zylinderkopf wird am oberen Ende der Toleranz mit 32Nm
angezogen, um dem gesteigerten Verbrennungsdruck stand zu
halten. Sonst ziehe ich angesichts der Alugewinde eher am
unteren Ende an. Der Rest ist Routine. Im Nachhinein erkenne
ich, daß ich nicht zur Vollständigkeit halber das Stoßspiel
der Kolbenringe gemessen habe.
In den Weihnachtsferien ist genug Zeit und die Temperatur ist
angenehm, so daß ich mich an den Motortausch setze. Die
Vergaser bleiben erst mal unverändert. Beim Einbau merke ich
daß der Hallgeber einen anderen Stecker hat. Die einzelnen
Stecker lassen sich aber aufstecken. So lauffähig wird die XL
neben das Auto geschoben und an die Batterie angeschlossen in
Erwartung längerer Orgeleien.. Aber mit gefüllten
Schwimmerkammern und gezogenem Choke springt sie fast
schneller an als sonst nach Standzeit und läuft sauber im
Leerlauf vor sich hin. Auf die Gemischeinstellschraube
reagiert sie auch. Ob bei mehr Last noch eine
Vergaseranpassung notwendig ist, werde ich sehen, wenn ich den
Krümmer mit dem angeschweißten Lambda Anschluß bekomme und das
Lambda Meßgerät anschließe. Der Leerlaufschalter erinnert sich
zum Glück beim Aufwärmen des Motors seiner Aufgabe nachdem er
ursprünglich kein Signal lieferte.
An einem der ersten wärmeren Tage im Februar mache ich eine
Probefahrt, die erfolgreich verläuft. Der Motor spricht sauber
überall an und läuft ruhig ohne merkliche Mehrvibrationen. Mit
einem Lambda Meßgerät sehe ich, daß der Lambda Wert sich immer
zwischen 0,7 und 0,8 rumtreibt. Das ist deutlich zu fett, er
sollte eigentlich nicht unter 0,87 sinken. Um das abzustellen,
würde ich eine der Nadeln mal eine Kerbe tiefer hängen, aber
man kommt an die Doppelvergaser eingebaut kaum ran. So nehme
ich das als Bestandsaufnahme und gehe davon aus, daß sie so
die ganzen Jahre ja auch überlebt hat. Bei den Testfahrten
machte sie bergauf einen kräftigeren Eindruck, aber das kann
natürlich auch Einbildung sein. Da sie vorher nicht auf der
Rolle war, wird es auch keinen Vergleich geben. So nehme ich
an, daß die rein theoretisch besseren Werte bestimmt ein
Leistungsplus zur Folge haben werden. Ich wäre ja froh, wenn
sie Nominalleistung hätte.
Vergleich der Eckdaten
|
Hubraum
(ccm)
|
Verdichtung
|
Quetschkante
(mm)
|
Zündzeitpunkt
|
Ausgangslage
|
590,9
|
8,9
|
1,65
|
2°
vor OT
|
Ergebnis
|
640,6
|
9,6
|
2,15
|
4,5°
vor OT
|
E. Thane
15.02.2017
Hilfreiche Links
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XR Forum Leistungsdiskussion
XL Forum Kolbendiskussion PD03/PD04
XL Forumromanum Vergaserabstimmung