XL Überarbeitung
Irgendwann im Sommer, als meine
Guzzi, das Sommermoped, mein Hauptbewegungsmittel war, dachte
ich mir: "es ist angenehmer im Sommer als im Winter zu
schrauben" und machte mich daran, die Macken meiner XL zu
ergründen, die mir in den ersten 5000km aufgefallen waren.
Nach jedem Warmstart klackerte es erst einmal aus dem
Zylinderkopf und die ersten Erlebnisse von
Höchstgeschwindigkeit konnte ich auch nur bei gutem Wind
wiederholen, meist war bei 130 Schluß, bei Gegenwind oder
leichter Steigung schon bei 110. Das Zündkerzenloch konnte ich
wegen der Position leider mit meinem Kompressionstester nicht
erreichen. Mal Nachschauen - keine große Aktion, dachte ich
mir.
Der Plan war eigentlich, den Zylinderkopfes bei eingebautem Motor
abzunehmen. Aber mir war es leider nicht mal nach Lösen der
Motorbolzen (bis auf den vorderen – siehe unten) und
Absenken des Motors möglich, selbst nur den Ventildeckel
abzuheben. Der Motor ist stramm eingepaßt.
So fing
der Streß an. Schon den Motor aus dem Rahmen zu bekommen,
war nicht so einfach. Der vordere untere Motorhaltebolzen war
nicht zu lösen, selbst die Benutzung eines Kilohammers bewegte
ihn nicht einen Millimeter. Also griff ich zur Flex und trennte
die beiden Durchgangshülsen durch. Auf diese Weise bekam ich ihn
wenigstens aus dem Rahmen raus. Die Reste des Bolzens mußte ich
aber immer noch aus Motor und Rahmen bohren.
Der Blick unter den Ventildeckel ergab
auch gleich die Ursache für die Klappergeräusche: der rechte
Auslaßkipphebel war richtig eingelaufen (fast 2mm), der linke
fing auch schon an und die Nockenwelle hatte leider auch schon
Spuren. Anrufe bei Gebrauchtteilehändlern ergaben, daß dies
anscheinend zu den Verschleißteilen der XL gehört und
dementsprechend hoch gehandelt wird. Es waren viele Anrufe
nötig, bis eine gute Nockenwelle inklusive der Kipphebel auf den
Weg gebracht wurden.
Ich hatte auch vor, einen Wiseco Kolbensatz einzubauen, hatte aus
irgendeiner Quelle gehört, daß meine XL eine Bohrung von 100mm
hat, und einen dieser Schmiedekolben in 101mm bestellt.
Dummerweise befand sich der Kolben schon in meinem Besitz, als
mich die Information ereilte, daß nur die 600R einen 100er Kolben
hat, die RM/LM haben nur 97mm, dafür aber mehr Hub. Ich
konnte mir noch bestätigen lassen, daß wenigstens Zylinderhöhe und
Bohrungspositionen bei beiden Modellen gleich ist, und besorgte
mir aufgrund dessen noch einen R Zylinder, um meine dann endgültig
umzurüsten. Aber man sollte die Japaner nicht unterschätzen - beim
Vermessen meiner originalen Teile fiel schnell auf, daß der R
Kolben einen 3mm höheren Kolbensteg hat und damit bei der ersten
Umdrehung schnell endgültigen Kontakt zum Kopf finden würde.
Ansonsten hätte es gepaßt. So ein Scheiß!
Zum Glück konnte ich kurzfristig noch
einen gebrauchten Übermaßkolben für kleines Geld erwerben, der
den strengen Augen meines Zylinderschleifers genügte und ließ
meinen Zylinder auf erstes Übermaß aufschleifen. Also, wenn
jemand an einem Wisecosatz für die PD03 interessiert ist, ich
habe alles einbaufertig zu verkaufen.
Der Zusammenbau war problemlos, man
braucht nur eine schlanke 12er Nuß, um die Zylinderschrauben
anzuziehen. Für die Feder, die die Steuerkette spannt, braucht es
auch einiges an Überzeugungskraft. Angeblich wird die
Metalldichtung des Zylinderkopfes auch nicht mehr nachgezogen,
sehr praktisch, da ansonsten ja wieder der Motor heraus müßte. Ich
hatte einen kompletten Dichtungssatz von Polo gekauft
(Auslaufartikel!), der nur unwesentlich mehr kostete als eine
einzelne originale Kopfdichtung. Manche Quellen sagen zwar, die
Kopfdichtungen würden nicht dicht sein, aber bisher hält es - es
ist allerdings auch noch nicht richtig heiß (über 20 Grad)
gewesen.
Alles wieder zusammen gebaut, den Motor in
den Rahmen gesetzt, angeschlossen und dann vorsichtig den ersten
Startversuch - er wollte nicht anspringen, jedenfalls so lange
nicht, bis ich den Choke bei immerhin +10 Grad wieder rein
drehte. Danach ein bisher nie gehörter Superleerlauf. Seitdem
hat er noch nie Choke beim Anlassen gebraucht, die Leerlaufdüsen
sind wohl einiges zu fett. Der Motor springt so auch bei 0 Grad
an.
Durch Zufall lernte ich jemanden kennen, der eine originale LM
hatte und gerne den kleinen RM Tank haben wollte. So beschäftigte
ich mich doch noch einmal mit dem Thema, da mich die ständige
Tankerei doch schon etwas nervte. Ein Vergleichen beider Rahmen
ergab, daß die LM vorne einen direkt an den Rahmen angeschraubten
Halter mit Stange hat, der den Tank vorne aufnimmt, der fehlt bei
mir wie auch die angeschweißten Befestigungsaugen. Dafür habe ich
den hinteren Befestigungspunkt schon serienmäßig, dem LM Rahmen
fehlt der Anschraubpunkt für den RM Tank (RM Tank kürzer). Also
doch alles nicht hoffnungslos, dachte ich und fragte beim Händler
nach, was denn diese vordere Befestigung kosten würde. Der Preis
machte mich sprachlos, 68DM spuckte der Computer alleine für das
Gummi für eine Seite aus. Das sprengte etwas meine Vorstellung und
nach etwas Suchen hatte ich es gebraucht komplett für 20DM
gefunden.
Da ja die angeschweißten Befestigungsaugen am Rahmen fehlen, habe
ich die Querstange einfach mit Gummi ummantelt und mit
Kabelbindern am Rahmen fixiert. Zwei kurze Bleche halten es noch
in der Länge am vorderen oberen Motorhaltebolzen fest (Bilder). Hinten brauchte ich ja nur
anzuschrauben. Sitzbank und Seitendeckel paßten auch ohne
Probleme, nur der Gepäckträger ließ sich nicht mehr montieren,
weil die LM Sitzbank zu lang ist. Also mußte ich das Ding auch
wegwerfen und mir einen gebrauchten LM Gepäckträger besorgen, da
dieser auch zum Halten des Auspufftopfes benötigt wird. Aber wie
oben schon gesagt, so einfach machen die Japaner das einem nicht.
Auch hatte der
Auspuff nach Montage des LM Gepäckträgers keinen Befestigungspunkt
und berührte auch den Seitendeckel, und ich holte meinen günstig
erstandenen originalen Auspufftopf aus dem Keller. Der laute,
vermeintlich umgeschweißte ist nämlich, wie ich inzwischen weiß,
ein R Topf. Der originale Topf paßte dann erst mal super, hatte
nur leider kaum noch Überlappung mit dem Krümmer. Also holte ich
auch den Reservekrümmer aus dem Keller und montierte ihn, und
siehe da, plötzlich paßte alles. Also hatte einer der Vorbesitzer
einen kompletten R Auspuff montiert. Aber was schließen wir daraus
- die Japaner haben tatsächlich für jedes Modell auch einen
eigenen Auspuff gemacht, die man untereinander nicht einfach so
teilweise tauschen kann.
Das Fahren mit einen so großen Tank ist natürlich erst einmal eine
Umstellung, aber sie ist immer noch erstaunlich leichtfüßig. Bis
Reserve passen 25 bis 27 Liter hinein, ganz leer hatte ich ihn bis
jetzt noch nicht. Bei Gelegenheit muß ich mal schauen, ob da
überhaupt ein Reserveröhrchen drin ist. Angeblich ist das
Tankvolumen ja 28 Liter, das paßt aber nicht mit den 27 Litern
beim letzten Tanken kurz nach Reserve zusammen. Was bei dem
Auspuff auffällt - er ist unheimlich leise. Nach Gehör fahren wie
früher ist nicht mehr drin. Außerdem habe ich den Eindruck, daß
man noch mehr auf die Drehzahl achten muß, um den Motor vom
Rumhacken abzuhalten. Die Sitzbank erscheint mir nach den ersten
Touren etwas komfortabler.
Was mich schon bei 100km-Etappen störte
war, daß ich mit meiner Größe wie ein Segel im Wind hing. Ich
hatte noch etwas Makrolon im Keller, aus dem ich mir eine kleine
zusätzliche Scheibe abkantete. Sie steht ca. 10cm über die
kleine Verkleidung über, und ich bin überrascht, was für einen
Unterschied das macht. Kann ich für Leute, die auch mal etwas
Strecke fahren wollen, nur empfehlen. Ist zwar nicht unbedingt
schön, aber hier gilt „form follwos function“.
Vor dem Winter montierte
ich noch die Daytona Heizgriffe, da die Billigteile im Durchmesser
zu groß waren und mit der Zeit verspannte Hände gaben (jaja,
Weichei). Weil die Guzzi mehr oder weniger stillgelegt wurde und
die XL jetzt bei jedem Wetter herhalten sollte, gönnte ich ihr
(und auch mir) einen Kettenöler. Scotoiler ist ja der Bekannteste,
aber der benötigt einen Synchronanschluß für den Unterdruck. So
etwas hat ein Einzylinder nicht. Hein Gericke bietet den Chaintec
Kettenöler für 180DM an, nicht ganz billig (immerhin billiger als
der Scotoiler) aber bei meinem Rumsurfen hatte ich gelesen, daß
Leute die Lebensdauer ihrer Kette erheblich verlängern konnten.
Der Anbau war recht problemlos, nur die
Platzsuche etwas fruchtlos. Den Schüttelschalter mußte ich auf
der linken Seite außerhalb des Seitendeckels plazieren, weil
unter den Seitendeckeln einfach kein Platz war. Beim Fluten
brannte dann erst mal die Sicherung durch, die offensichtlich zu
klein dimensioniert ist. Inzwischen habe ich es einigermaßen im
Griff, befürchte aber, daß man den Durchfluß, der durch ein
primitives Plastikdurchfluß Ventil gesteuert wird, den
unterschiedlichen Jahreszeiten anpassen muß.
Jetzt, Ende 2001, hat mein Einzylinder einen Stand erreicht, mit
dem ich leben kann. Über die Farbgebung mag man streiten, aber mir
ist es erst einmal wichtiger, daß alles technisch in Ordnung und
meinen Bedürfnissen angepaßt ist. Das ist jetzt der Fall. Über die
Lackierung kann ich mir immer noch Gedanken machen, genauso über
die Kleinigkeiten, die mir noch so im Kopf herum schwirren wie
Satteltaschenhalter, Edelstahlkrümmer oder einen Auspuff, den ich
auch unter dem Helm höre. Die Avonmischung, die ich fahre hat
recht guten Grip und hat nach 6000km hinten noch mehr als die
Hälfte des Profils, vorne ist bisher kein nennenswerter
Verschleiß. Der Verbrauch schwankte vor der Überholung zwischen
4,5 und 5,8 Liter, die Bandbreite hat sich danach etwas reduziert.
Ich brauche zur Zeit zwischen 4,5 und 5,2 Liter und dafür zwischen
den Wechselintervallen, die ich auf 6000km festgelegt habe, 0,3
Liter/1000km Öl. Die Höchstgeschwindigkeit ist in Richtung
Werksangabe gewandert, auf Anhieb gehen immer 140, mit Anlauf auch
über 150. Das ist in Ordnung. Von der Motorcharakteristik stört
mich ein wenig, daß unter 3000 U/min eigentlich garnichts geht und
es erst ab 4000 richtig flotte Fortbewegung möglich ist. Aber so
ist das wohl mit den XL-Einzylindern...................
Eric Koch
Dezember 2001