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Hinter Mandello geht's noch weiter
TOSKANA 2002
(veröffentlicht in MOTALIA 167)

Nachdem ich meinen Sommerurlaub dieses Jahr wegen Krankheit kurzfristig abblasen musste, blieb im Herbst noch so viel Urlaub über, dass mich die Frage eines Freundes nach einem Kurzurlaubes genau richtig erwischte. Da ich dieses Jahr schon dreimal in Frankreich war, bestehe ich auf etwas anderes, und nach etwas Überzeugungsarbeit meinerseits konnten wir uns auf die Toskana mit Dolomiteneinlage einigen. Am 3. Oktober treffe ich mich mit Wolfgang, der mit seiner betagten Africa Twin den weiten Weg wagen will.

Morgens ist es schon etwas frisch, aber die Sonne scheint immerhin, und die dicke Faserpelz Unterwäsche hält erst mal warm. Um die Mittagszeit ist es fast zu warm. Wir schlängeln uns durch den Stau am Aichelberg durch, aber auf der A7 Richtung Kempten stehen die Blechdosen schon wieder. Auf der Landstraße fahren wir ein Stück parallel der Autobahn und können uns ein paar Abfahrten weiter wieder staufrei einfädeln. Hinter der Grenze Österreichs wird billig getankt, dann geht es weiter über das Hahnten- und Timmelsjoch hinein nach Tirol. Es ist voll, anscheinend nutzt jeder die Gelegenheit dieses sonnigen Herbsttages zu einer Ausfahrt. Es nervt und Überholen lohnt nicht wirklich. Südlich von Meran fangen wir mit der Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit an. Wolfgangs Wunsch nach einer Pension (er fürchtet kalte Nächte wegen seiner Erkältung) können wir bald abhaken - alles voll. Beim nächsten Campingplatz in Nalles nutzt uns unser schon so "erwachsenes" Aussehen, dass uns die gute Frau nach einem anfänglichen "alles voll" doch noch auf den Platz lässt. Die gegenüber liegende Pizzeria bietet ein qualitativ hochwertiges Mahl.

Es ist schon Winter in der
                SellarundeDie Nacht ist nicht kalt und auch Wolfgang ist zufrieden. Heute steht eine Tagestour an, es ist etwas bedeckt und so nehmen wir vorsichtshalber das Regenzeug mit. Die kleine Straße westlich aus Nalles raus, es geht direkt in anspruchsvollen Kurven den Berg hoch, so dass weder wir, noch Reifen oder Motoren lange die Möglichkeit haben, warm zu werden. Bei Tesimo steigt die Straße weiter an zum Gampenjoch, und als wir keine Stunde später den anschließenden Mendelpaß hinter uns haben, sind wir uns einig, daß sich der Tag eigentlich schon gelohnt hat. Wir entschließen uns, doch noch Richtung Sellarunde zu fahren, befürchten aber ähnliche Massen wie gestern. Aber als wir hinter Bozen zum Passo Nigra abbiegen, sehen wir kaum einen anderen Menschen. Vom Karersee nach Canazei, dann über den Fedeia und hoch zum Valparola, nicht viele sind unterwegs. Allerdings hat es sich in der Zwischenzeit auch weiter zugezogen und kurz vor dem Grödnerjoch müssen wir doch unsere Regensachen auspacken. Nun sehen wir nur noch, daß wir schnell wieder Richtung Tal kommen, wo es dann auch aufhört zu regnen. Beim Tanken stelle ich erstaunt fest, dass es keinen 98 Oktan Sprit gibt - angeblich in ganz Italien nicht (sah ich manchmal bei Shell Tankstellen für einen saftigen Aufschlag) - so nehme ich jetzt immer Oktan Booster. Auf einer Nebenstrecke geht es zurück nach Nalles, wo wir den Tag wieder in der guten Pizzeria mit Spinatknödeln mit Gorgonzola Soße beschließen.

Ponte della MaddalenaBei schönem Wetter können wir Richtung Süden starten. Noch einmal geht es über das Gampenjoch und dann über Madonna di Campiglio und Lodrone westlich am Gardasee vorbei. Am Idrosee legen wir eine kurze Rast ein, können ihm aber nicht viel abgewinnen. Auf italienischen Staatsstraßen schlagen wir uns ohne weiter Höhepunkte nach Mantova durch, von dort geht es auf der Autobahn bis Modena. Bei Modena kommen wir aus Versehen auch noch an der Ferarrischmiede in Maranello vorbei. Danach folgt eine gnadenlose Kurvenstrecke, die auch von den Einheimischen sehr frequentiert ist. Eine Kurve folgt der anderen, verschiedene Radien mit kleinen Überraschungen hinter Hügelkuppen - alles dabei. Man wünscht sich manchmal doch ein Stück Gerade zum Entspannen (100m würden ja schon reichen). Hinter Cutigliano wird es ruhiger. An der Ponte della Maddalena machen wir Pause und bekommen von ein paar BMW Fahrern versichert, dass es in Lucca auf jeden Fall einen Campingplatz gibt. Also hin, aber nix is', Lucca hat kein Heim für Camper. Es ist schon später Nachmittag und wir huschen ohne langes Zögern über die Autobahn nach Florenz, wo wir erst bei Einbruch der Dämmerung den Campingplatz Michelangelo finden. Noch Zelt aufgebaut und dann zu Fuß runter in die Stadt (der Campingplatz ist gerade über den Fluss Arno in Sichtweite des Domes). In einer kleinen Pizzeria essen wir recht gut und machen danach noch einen ersten Erkundungsgang durch die Stadt.

Pforte des Baptisteriums in
                FlorenzDie Piazza in SienaMorgens geht es dann gleich in die Stadt, aber was ist das voll! Es ist Sonntag und die maximale Touristendichte ist erreicht. Wir schauen uns den Dom und das Baptisterium nur von außen an, die Schlangen sind zu lang. Und für 6 Euro wollen wir auch nicht zu Fuß auf den Turm steigen. Ein wenig schlendern wir noch durch die Seitengassen, gönnen uns noch Kaffee und Eis, aber gegen Mittag reicht es uns, und wir nehmen wieder den Bus zurück zum Campingplatz. Nach etwas Abhängen fahren wir auf kleinen Straßen durchs Chianti. Hier ist es menschenleer, wunderschön und klasse zu fahren. Auf dem Rückweg geben wir San Gimigagno noch eine Chance, aber hier ist es genauso voll wie in Florenz, und wir verschieben touristische Aktivitäten auf  die Wochentage.

Beim Bezahlen bei der Abreise verweigert der Campingplatz die Annahme der Kreditkarte und der Preis von 53 Euro für zwei Personen für zwei Nächte reißt erst einmal ein Loch in die Bargeldkasse. Der nächste Campingplatz soll sorgfältiger ausgesucht werden, und wir grasen die Gegend südlich von Siena ab, wo wir schließlich bei dem Camping Soline in Casciano enden, der einfach traumhaft ist, wenn auch kein Schnäppchen. Von den Terrassen für die Zelte kann man weit in die Landschaft hinein schauen, was wir in der Mittagssonne auch träge genießen. Irgendwann raffen wir uns auf, werfen nur die leichte Kleidung über und gehen auf Sightseeing Ausfahrt nach Siena, das auf Nebenstraßen nur 15 km entfernt ist. 

Ein Traum bei schönem WetterSiena gefällt uns schon besser als Florenz. Nicht nur sind hier weniger Menschen, sondern die Stadt hat auch mehr italienisches Flair. Alles ist etwas verwinkelter, wirkt gemütlicher. Ich schaue mir die Bodenmosaike im Dom an, die wirklich beeindruckend sind, grosse Bilder mit verschiedenen Marmorarten, die Trennungen ausgegossen mit Teer. Den Dom von außen kann man mit dem in Florenz verwechseln. Kurz vor der Dämmerung machen wir uns auf den Heimweg, kaufen uns einmal durch die Theke in einem kleinen Supermercato - von Anitpasti, Käse bis Wurst und Vino. Auf dem Platz kommt dann der Campingtisch zum Einsatz, und wir genießen die leckeren Einkäufe und den Abend.

Leider hat sich das Wetter nicht gehalten, morgens ist es bedeckt. Wir nehmen uns als Ziel für unseren Ausflug Saturnia vor, ein Therme. Über kleine, kurvige Straßen bewegen wir uns an dem niedlichen Ort Montalcino vorbei Richtung Süden. Die Auffahrt auf den Mt. Amiata wird schon empfindlich kühl, unterwegs ist hier sowieso keiner mehr. Der Traum sich in den angeblich kostenlosen Thermen von Saturnia aufzuwärmen erfüllt sich nicht. Das ganze ist voll touristisch erschlossen und schreckt uns nur ab. Dabei sah das auf dem Prospekt soooo gut aus, naja, der war wahrscheinlich von 1950. Auf der unasphaltierten Zufahrtsstrasse legt Wolfgang noch eine kleine Enduroeinlage ein. Das geht aber leider schief, sein aufgeschnallter Rucksack löst sich und blockiert das Hinterrad. Aber ausser der kompletten Zerstörung des Rucksackes passiert nichts. Auf menschenleeren Nebenstrecken geht es nach Monticiano, wo wir noch einen Kaffeestop einlegen. Wenigstens fahrspaßmäßig hat der Tag doch einiges gebracht.

Geschlechtertürme von San
                GimigangoMorgens ist es am Gießen, es hört schließlich gegen 8 Uhr auf, und wir müssen feststellen, dass die Wassermassen sich auch einen Weg unter unserem Zelt durch gebahnt haben. Der Himmel reißt aber wieder ein wenig auf, und wir wollen uns die Laune nicht vermiesen lassen und San Gimigango eine zweite Chance geben. Die Straßen trocknen immer weiter ab und das Fahren macht wieder Spaß, San Gimigango auch. Diesmal ist es erheblich leerer, und wir können in aller Ruhe durch den kleinen Ort schlendern, Eis essen und die Geschlechtertürme bewundern, die überall aus dem Ort heraus ragen. Sie sollen Rückzugsorte bei Sippenkonflikten gewesen sein. Die Bezeichnung “Manhattan der Toskana” des Reiseführers halten wir aber für etwas übertrieben. Den besten Blick finden wir erst zum Schluss von der Stadtmauer. Über eine gut ausgebaute, kurvige, wenn auch ziemlich frequentierte Landstraße geht es nach Volterra. Die Stadt des Alabasters. Sie gefällt uns wirklich gut, ruhig und niedlich. Nach dem Souvenirkauf nehmen wir die kleine S439, die uns in endlosen Kurven gen Süden führt, bis wir schließlich wieder über Montieri und Monticiano zu unserem Campingplatz finden. Gerade rechtzeitig, es zieht wieder zu und beginnt zu regnen. Wir lassen uns wieder im Campingplatz Restaurant bekochen.

Nachts regnet es weiter und wir entscheiden am Morgen, dass wir das auch woanders haben können. Es nieselt nur leicht als wir losfahren, und es zeigt sich, dass man sich auch nach Jahrzehnten des Motorradfahrens nicht für den entscheidenden Anfängerfehler zu schade ist - ich ziehe nur die Regenhose an. Leider hört es gar nicht mehr auf und bevor ich mich entscheiden kann, sind Handschuhe und Stiefel auch naß. Die Scheissegalhaltung setzt ein, und wir begeben uns auf die Autobahn, um so schnell wie möglich Land zu gewinnen. Auch auf der  Küstenautobahn wird es nicht besser. Zum Regen kommen auch noch Staus. Über Mailand geht es nach Como, wo wir eigentlich noch einen Tag bleiben wollten. Aber angesichts des sich nicht ändernden Wetters entscheidet Wolfgang die Zähne zusammen zu beißen und durchzufahren. Es ist Nachmittags gegen 16 Uhr und mir ist kalt wegen den kleinen Badewannen an den Füssen und den klitschnassen Handschuhen. So entschließe ich mich, eine warme Nacht in Mandello einzulegen. Das einzige freie Haus in Mandello hat zwar noch nicht die Heizung am laufen, aber ich kann die Sachen im Heizungskeller trocknen lassen. Nach einer Pizza und Wein, sieht die Welt schon anders aus.

Und am nächsten Morgen sieht sie sogar wieder strahlend aus, die Sonne scheint. Über den Maloja und Julier geht es auf die Autobahn in der Schweiz und dann ab nach Hause. In den Bergen ist es schöner als im Rheintal, wo mich feuchtkaltes Wetter empfängt. Wolfgang ist am Donnerstag Abend noch gut nach Hause gekommen.
So sind wir nur eine gute Woche unterwegs gewesen, aber es sind durch An- und Abreise doch 3800km zusammen gekommen. Wetter war sehr gemischt, aber es war immerhin schon Oktober. Guzzi lief einwandfrei, auch bei Dauerregen keine Aussetzer, sie brauchte aber weiter ihre Ölrationen. Leider zeigte die rechte Kopfdichtung von Dynotec, die angeblich sogar mehrmals verwendbar sein soll, weiter Schwäche. Bei Wärme ging der schon letztes Jahr beobachtete Zustand des Schwitzens ins Sabbern über. Da muss ich diesen Winter mal was machen. Eric Koch
November 2002
 
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