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heureka! 4/99
Dinos auf der Arche?

MASSENBETRUG     In den USA, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, haben die Kreationisten ihre "Schöpfungswissenschaft" als Alternative der darwinschen Evolutionstheorie durchgesetzt. Die wird prompt als "umstritten" dargestellt.
PETER IWANIEWICZ



"Großer Sieg für Kreationisten", titelten US-amerikanische Zeitungen Anfang August dieses Jahres. Der Grund: Ein Gericht hatte eben entschieden, daß der Schulaufsichtsrat des Bundesstaates Kansas seinen Lehrern freistellen kann, die darwinsche Evolutionstheorie zu unterrichten. In Europa noch wenig bekannt, bemühen sich vor allem in den USA fundamental orthodoxe Christen seit Jahren darum, die wortgetreue Bibelauslegung zur so genannten creational science", Schöpfungswissenschaft, zu erheben. In revisionistischer Manier wird dabei durch Vorlegen wissenschaftlicher Beweise" versucht, das Alter der Welt auf die aus der Bibel  herauszulesenden  10.000 Jahre festzulegen und die Existenz des Menschen als fertiges und elitäres Produkt gezielten göttlichen Wirkens zu begreifen. Dazu muß natürlich der Stand unserer bisherigen Kenntnis der Naturgeschichte als Lüge enttarnt werden. Vom Zweiten Satz der Thermodynamik (über den Big Bang bis zur Entstehung der Tier- und Pflanzenarten - alles wird angezweifelt, was dem bibelfesten Gläubigen im Wege steht. Die Konsequenz bei der kausalen Beweisführung ist dabei mitunter fast bewundernswert: Wer behauptet, daß die Erde nur wenige tausend Jahre alt sei, muß die Frage losen, wie sich denn dann die bis zu 200 Millionen Jahre alten Funde von Dinosaurierknochen erklären lassen. Über die Qualität des Arguments, die Radiokarbon Methode hatte auch in anderen Fallen unzuverlässige Daten geliefert, kann man geteilter Ansicht sein; existiert muß des Weiteren jedenfalls werden, wie Mensch und Dinosaurier zur gleichen Zeit auf der Erde leben konnten. Kein Problem für Henry Morris, den Direktor des einflußreichen Institute for Creation Research (Institut zur Erforschung der Schöpfungsgeschichte) in der kalifornischen Stadt San Diego: Noah nahm die Riesenechsen auf seiner Arche mit, und so konnten diese die Sintflut überleben. Wer jetzt glaubt, daß es unmöglich wäre, ein mit Dinosauriern voll gepacktes Holzboot plausibel zu argumentieren, der irrt. Denn, so John Rajca, Direktor des Museum of Creation and Earth History, es seien nur die Eier und kleine Jungtiere an Bord gelassen worden.

Das klingt zwar alles noch halbwegs lustig und läßt noch nicht auf ernst zu nehmende Betrugs- oder Täuschungsabsichten schließen. Taucht man aber - z.B. via Internet - in die Netzwerke der Kreationisten ein, dann wird schnell offenbar, daß es sich dabei um mehr als einige wenige religiöse Eiferer handelt. Auf zahllosen Webpages (siehe Kasten) betonen Obskuranten, Esoteriker und christliche Fundamentalisten die Wissenschaftlichkeit ihrer Aussagen und veröffentlichen stets neue Beweise", womit die Evolutionstheorie widerlegt werden soll.

Die Autoren der Publikationen schmücken sich mit akademischen Titeln, die ebenso fragwürdig sind wie ihre Argumentationsketten. So vergibt das oben genannte Institut for Creation Research jedes Jahr durchschnittlich 25 Master-Degrees in den Sparten Naturwissenschaft und Pädagogik. Als sich die kalifornische  Schulbehörde  weigerte, diese Abschlüsse anzuerkennen, klagte das Institut und erhielt weiterhin das Recht zugesprochen, universitäre Abschlüsse an - so der Institutsleiter - "Kampfer für den Glauben" zu verleihen. Um die Tragweite solcher richterlichen Entscheidungen zu verstehen, muß man die Eigenheiten des US-amerikanischen Rechts- wie auch Bildungssystems kennen. 1m Gegensatz zum europäischen kodifizierten Recht dominiert in den USA das sogenannte case law" - hier entwickeln einzelne  Rechtsprechungen  die bestehenden Rechtsgrundlagen  weiter. Das heißt, eine richterliche Entscheidung kann - anders als in Europa - eine Gesetzes bildende Dimension haben. So war ein Schuldspruch aus dem Jahrl925 gegen den Lehrer John Scopes, der Darwins Theorien unterrichtete, bis zu seiner Aufhebung 1967 Grundlage für alle Schulen, die Evolutionslehre aus dem Unterrichtsplan zu streichen. Denn auch im Bildungssystem gibt es wesentliche Differenzen zwischen der Alten und der Neuen Welt. Zur Zeit des Unabhängigkeitskriegs (1776) wurde das Prinzip der örtlichen Schulaufsicht eingeführt. Diese war eng an Religionsgemeinschaften gebunden und wurde von örtlichen Honoratiorenausschüssen kontrolliert. Aus jenen gingen später die Boards of Education" (Schulaufsichtsräte) hervor. Genau in diesem Bereich sehen (Kreationisten eine ihrer Hauptaufgaben, um "das darwinistische Übel noch am besten an der Wurzel packen zu können" (Henry Morris). 1m US-Bundesstaat Alabama muß nach entsprechender Intervention seit 1995 folgender Hinweis in Biologie Lehrbücher eingeklebt werden: "Die Evolution ist eine umstrittene Theorie, die nicht als Tatsache angesehen werden darf." In Kentucky wurden jene Seiten der Schulbücher zusammengeklebt, in denen der Urknall abgehandelt wird, und in Georgia ließ man gleich das ganze Kapitel über die "Entstehung des Lebens" herausreißen.