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Im Februar 1998 gehe ich mit meinem Freund Eric für
die nächsten 1 1/2 Jahre in die USA, genau genommen nach
Detroit. Meine Suzuki GS500 verkaufe ich vorher, der Transport
in die USA hätte sich nicht gelohnt, dort wird es ja wohl auch
preiswerte Motorräder geben. Eric nimmt seine Guzzi natürlich
mit. In Anbetracht der Tatsache, daß es in Detroit keinerlei
öffentliche Verkehrsmittel gibt und mir der hier lebenswichtige
Autoführerschein fehlt, fangen wir gleich mit der Suche an. Per
Internet und diversen Zeitungen schauen wir uns erstmal in alle
Richtungen um. Vom Hocker reißt uns irgendwie nichts, entweder
billiger Schrott oder teuer. Ja, was soll es überhaupt sein? Ein
billiger Japaner, den man nach den 1 1/2 Jahren wieder verkauft
oder doch lieber ein europäisches Motorrad, daß man dann
mit zurücknimmt? Nachdem Eric , als überzeugter Guzzist, etliche
Überzeugungsarbeit an mir geleistet hat, fällt meine Wahl auf
BMW oder Guzzi, ältere Modelle werden teilweise recht günstig
angeboten.
Anfang
April finden wir in der MGNOC-News (Moto Guzzi National
Owners Club) ein ganz interessantes Angebot. Eine SP1000,
Baujahr 1983, mit 38.000 km auf dem Tacho, wird ganz in unserer
Nähe für 2.000$ angeboten. Das schauen wir uns doch mal an.Das
Motorrad sieht ganz gut aus, wenn man von den häßlichen, nach
unten hängenden Auspufftüten mal absieht. Auch die Sitzbank
sieht blöd aus, die der Besitzer, ein kleiner Mann, selber
abgepolstert hat. Ein Unsicherheitsfaktor ist, daß wir sie nicht
anwerfen können, da die Batterie leer ist, außerdem sind die
Gabelsimmeringe undicht. Der Mann erzählt, er hätte die Maschine
als Unfallfahrzeug gekauft und reparieren lassen, mangels Zeit
stände sie aber seit über einem Jahr in der Garage. Es müßten
noch ein paar Sachen dran gemacht werden, sagt er, und er würde
sie gern in guten Händen wissen. Ich mache also nur eine
Sitzprobe, und entscheide mich ziemlich schnell, daß ich sie
kaufen würde, wenn er mit dem Preis noch runtergeht. Eric, ganz
Diplomat, erzählt ihm, daß ich mir als Studentin ein Limit von
1500 $ gesetzt habe. Und ich habe Glück! 1500 $ sind OK,
außerdem bietet er sogar an, die SP mit seinem Pickup am
nächsten Wochenende vorbeizubringen.
Da steht sie nun, und wir haben genau fünf Tage Zeit sie
zum Laufen zu bringen, über Ostern soll’s nämlich gen Süden
gehen. Da es an meiner Suzuki außer Ölwechsel, Kette fetten,
spannen und wechseln nie was zu tun gab, beginnt hier absolutes
Neuland für mich. Zum Glück habe ich einen erfahrenen
Guzzi-Schrauber an meiner Seite, also frisch ans Werk. Öle
wechseln, Batterie laden, Vergaser reinigen. Mit geladener
Batterie springt sie dann auch mit Hilfe einer Autobatterie an,
allerdings spinnen die Kontrolleuchten ständig und die Blinker
funktionieren nicht. Eine nervenaufreibende Suche nach dem
Fehler beginnt, die Zeit rennt. Eric mißt und mißt und findet
schließlich heraus, daß das Problem ursächlich erst einmal die
schlechten Masseverbindungen sind. Er legt jede Menge neue
Kabel, wir fetten alle Verbindungen und schließlich
leuchtet alles wieder, nur die Blinker funktionieren überhaupt
nicht.
Ostern dann - 2380 km durch Ohio und Kentucky. Ich bin
zufrieden, komme ich doch prima mit diesem recht großen Motorrad
zurecht, auch der Durchschnittsverbrauch von 4,7 l begeistert
mich. Alles hält trotz aller Befürchtungen, und ich habe das
Gefühl einen guten Kauf gemacht zu haben. Störfaktor ist die
Öllache, die ich bei jedem Halten hinterlasse, der Ölverbrauch
und auch die “Mager-Knallerei” jeden Morgen auf den ersten
Kilometern ist fürchterlich. Das Problem mit den nicht
funktionierenden Blinkern ist auch noch nicht gelöst. Zweite
Lektion in Guzzi Technik für mich: Simmeringe und Dichtungen im
Kupplungsgehäuse tauschen und europäische Bedüsung einbauen.
Auch dem Blinker-Geheimnis kommen wir bei dieser Aktion auf die
Spur. Peinlich, peinlich (ob ich das hier überhaupt schreiben
sollte?), es ist gar kein generelles Blinkerproblem, sondern
vorne sind gar keine Birnen drin und hinten ist es auch nur ein
Masseproblem!!!! Jetzt kommt noch ein neuer Satz Reifen drauf
und dann geht es zu unserem ersten Guzzitreffen hier in den
Staaten. Bei der Fahrt nach Illinois läuft auf den letzten
Kilometern ein Zylinder zwischen Stand- und Vollgas nicht mehr
richtig. Eric sowie sämtliche “Experten”, die anwesend sind,
verbringen einen halben Tag bei der Suche nach dem Fehler. Die
Zündkerzen werden genaustens untersucht, Zündkabel- und
Spulen werden ausgetauscht und die Vergaser gereinigt. Nichts
bringt was. Als schon alle aufgegeben haben, kommt Eric die
rettende Idee: der Kondensator könnte kaputt sein! Da er eine
elektronische Zündung in seiner 1000S hat, die Kondensatoren
aber sicherheitshalber auch noch dran hat, tauschen wir den
Kondensator aus. Na bitte, das war’s.
Bis Juni hat die SP 6.300 Kilometer mehr auf dem Tacho,
und ich bin äußerst glücklich mit ihr. Bevor wir unsere große
Urlaubstour machen spendiere ich ihr noch mal einen Ölwechsel,
und um den etwas erhöhten Ölverbrauch in den Griff zu bekommen
tauschen wir die Kolbenringe. Nebenbei, fast alle Teile lassen
wir uns aus Deutschland mitbringen (irgend jemand fliegt ja doch
immer mal rüber), hier ist alles doppelt teuer. Unsere Reise
führt uns in fünf
Wochen 16.480 km durch die USA, auch in dieser Zeit
treten keine ernsthaften Probleme auf. Einmal bricht ein Kontakt
im Starterschalter ab (wird durch einen einfachen Druckschalter
aus dem Baumarkt ersetzt), ich drehe beim Ventile einstellen ein
Gewinde für den Ventildeckel aus (Folge: gut geölte Stiefel und
Hose, Problem wird durch längere Schraube gelöst), ich verliere
eine Auspufftüte (finde sie aber natürlich wieder) und auf den
letzten Kilometern fahre ich mir einen Nagel ein. Es ergibt
sich, daß wir sogar ein paar neue Teile von der Reise
mitbringen. Ein Bekannter verkauft mir seine originalen Mille GT
Auspufftüten, und ich bekomme einen Distanzring für die Ölwanne,
der wohl nötig ist um den ständigen Ölaustritt an dem
Öleinfüller der SP zu minimieren.
Als alles wieder zusammengebaut ist, mache ich eine kleine
Tour zu den Niagarafällen und nach Toronto. Schon auf den ersten
Kilometern merke ich, daß etwas mit der Schaltung nicht stimmt.
Das Getriebe läßt sich schlecht schalten, der Schalthebel kommt
auch nicht mehr in die Ausgangslage zurück. Trotzdem fahre ich
weiter, weil ich mich am Wochenende mit Eric in Toronto
verabredet habe. Wieder in Detroit, zerlegen wir die SP um der
Sache auf den Grund zu gehen. Eric’s Vermutung, eine kaputte
Rückholfeder, bestätigt sich. Doch das ist leider nicht alles,
beim Ausbauen der Schwinge kommt uns das Kreuzgelenk
“entgegengekrümelt”. Glück im Unglück, unser Besucher hatte aus
Deutschland ein neues Kreuzgelenk mitgebracht, das eigentlich
für einen amerikanischen Freund bestimmt war, jetzt aber seinen
Platz in meiner SP einnimmt. Es hätte noch schlimmer kommen
können, wäre das nur 1.000Km vorher passiert, wären wir im
Urlaub liegengeblieben.
Trotz neuer Rückholfeder bleibt ein
Schaltproblem, die Gänge springen immer wieder raus, und das
Runterschalten geht nur unter Zwang. Wir wollen aber an den zwei
folgenden Wochenenden zu Guzzi-Treffen nach Ohio und Kanada
fahren, und haben deshalb keine Lust die SP schon wieder
auseinander zu bauen. Es muß also irgendwie gehen, obwohl das
Fahren so keinen besonderen Spaß macht.
Es ist inzwischen Mitte September, und wir haben
vorerst keine weiteren Touren geplant, 28.000 km sind auch
erstmal genug für das Jahr finden wir. Zeit also, wieder etwas
rumzubasteln. Das heißt, die SP erneut auseinanderbauen (das
dritte mal, diesmal kann ich das schon ganz alleine) um nach dem
Fehler zu suchen. Der Fehler stellt sich als profan heraus, der
kleine Arretierstift seitlich am Getriebe war beim Zusammenbau
herausgefallen, doch ich bekomme einen Gebrauchten von einem
Bekannten aus der MGNOC Gemeinde.
Eric
distanziert das Getriebe schließlich noch mit Hilfe der
Guzziology aus. Das ist die amerikanische Guzzi-Bibel von Dave
Richardson, in der alle möglichen Tips drin stehen. Außerdem
ersetzen wir die Steuerkette und den originalen, ziemlich
unbrauchbaren Steuerkettenspanner, der fast 10mm Kettenspiel
zuläßt. Nach einer Probefahrt an einem verregneten Wochenende
bin ich schlussendlich überaus zufrieden, denn alles läuft
bestens. Auch das Öl bleibt jetzt im Motor, nachdem ein 1000S
Peilstab das lange Füllrohr ersetzt hat. Dann kann es ja jetzt
an die Schönheitsoperationen gehen. Auf einem Guzzi-Treffen
haben wir einen Mann kennengelernt, der Sitzbänke im Corbin-Stil
aufbaut bzw. anfertigt. Da mir die häßliche Sitzbank meiner SP
schon von Anfang an ein Dorn im Auge ist und sie sich auch
schnell durchsitzt fange ich an aus Glasfiebermatten eine neue
Grundplatte zu bauen (die alte ist ziemlich rostig). So richtig
gut wird das Teil nicht, aber ich habe Glück, ein Bekannter
schenkt mir die gut erhaltene Sitzbank seiner T3, die nach
Entrosten und Lackieren schließlich Basis für die neue Sitzbank
wird.
Die Grundplatte schicke ich, zusammen mit ein paar Skizzen
und den Maßen, nach South Carolina. Eine Woche später bin ich
stolze Besitzerin einer wunderschönen rot-schwarzen Sitzbank. In
den selben Farben möchte ich nun auch eine Verkleidung haben. Da
es mit der derzeitigen Verkleidung der weltbekannten Firma
“Mayer” wohl Problem mit dem deutschen TÜV geben wird, lassen
wir uns aus Deutschland eine LM3 Verkleidung mit Scheinwerfer
mitbringen. Sie paßt ohne Probleme an die SP, vorher lackiere
ich sie aber noch neu. Gebraucht haben wir auch noch alte
Aluminium Schaltereinheiten von Suzuki gekauft, die wir
dranbauen. Um die Maschine TÜV-konform zu machen, sind
inzwischen auch die Auspufftüten und ein deutscher Tacho dran,
da der originale in Meilen anzeigte und gerade mal bis 130 km/h
ging. Das letzte Improvement erfolgt dann im Dezember, wir
bauen eine elektronische Zündung (Piranha), die natürlich auch
aus Deutschland importiert wurde, und den Luftfilterkasten
wieder ein. Die K&N’s fliegen raus. So bin ich also bestens
ausgestattet für unsere nächste Tour, die uns über Weihnachten
4.500km durch Texas führt. Die SP läuft so gut wie nie zuvor,
und ein Durchschnittsverbrauch von 4,3 l läßt Eric äußerst
neidisch werden.
Meine Guzzi gebe ich nicht mehr her, haben wir sie doch in dem einen Jahr ganz auf mich zugeschnitten, und ich finde es klasse ein Motorrad zu fahren, daß es nur einmal gibt. Außerdem hat mir dieses “Guzzi Jahr“ Motorradtechnik etwas näher gebracht, was ja auch nicht so verkehrt ist. Ich hoffe nur, daß es mit der Schrauberei jetzt endlich ein Ende hat.
Susann Hinz, Februar 1999
P.S.: Was mußte ich bei einer Florida Tour Anfang März nach jedem Halten unter meiner Guzzi sehen? Eine kleine Ölpfütze, da sollte man doch etwas gegen tun...