B O X E N S T O P
(erschienen in MOTALIA
Nr. 88/1996)
Was treibt eigentlich einen einigermaßen
vernünftigen, normal arbeitenden Menschen dazu, sich bei
klirrender Kälte in die zugige Tiefgarage zu begeben, seinem
Lieblingsmotorrad die Aggregate aus dem Rahmen zu reißen, sie in
den Keller zu schleppen und dort genüßlich zu zerlegen? Ganz
klar kann derjenige wohl nicht sein, der ein eigentlich ganz gut
laufendes Motorrad entgegen den Ratschlägen guter Freunde
auseinandernimmt und sich dabei so manchen Winterabend um die
Ohren schlägt. Es könnte Langeweile sein, weil man ja im Winter
nicht so viel auf zwei Rädern unterwegs sein kann und sich die
Zeit vertreiben will bis zur nächsten Saison. Vielleicht ist es
auch krankhaft, so eine Art Schraubermanie. Es gibt bestimmt
auch rationale Gründe, wie den vielleicht inzwischen doch schon
meßbaren Ölverbrauch, ein leichtes Leerlaufpendeln, ein anderes
Motorgeräusch als früher, subjektiv etwas weniger Leistung als
früher oder die etwas hakelig gewordene Schaltung. Auch Neugier
kommt als Grund in Betracht. Wie dem auch sei, trotz der
objektiv ungeklärten “Warum-Frage", habe ich oben beschriebenes
getan und will hier mal eine Bestandsaufnahme von meiner Motor-
und Getrieberevision geben.
Der Motor hatte zur Zeit der Überprüfung ca. 110.000 km abgespult
, wobei bei dem damaligen leichten Tuning (siehe Motalia 6/94) die
Stößeltassen, die Nockenwelle und der Steuerkettenspanner ersetzt
wurden. Seit diesem Bericht, der bei Kilometerstand 70.000
abgefaßt wurde, hatte sich nicht mehr viel getan, außer
Verschleiß. Ich mußte die Simmerringe vorne und hinten auf der
Kurbelwelle wegen Undichtigkeit ersetzen, habe beim Zusammenbau
ein Zündungskabel übersehen, gequetscht und blieb zum Dank dafür
nach 50 km liegen. Nach dem Neuverlegen des Kabels lief alles
weiter wie bisher. Auch die Piranhazündanlage blieb davon
unbeeinträchtigt und arbeitet immer noch ohne Probleme.
Im Spanienurlaub riß
der Halter vom rechten Auspufftopf, und die Tachowelle wollte
keinen weiteren Kontakt mit dem Getriebe aufrechterhalten und
brach ebenfalls. Beides war schnell behoben. Nach der Rückkehr
wollte ich dann doch mal sehen, wo dieses extrem laute
Ventilklappern herkam, da ich immer versuche, Urlaube
schrauberfrei zu halten. Ich stieß schließlich auf eine gestauchte
Stößelstange, die das Ventilspiel auf unzulässige 1,5 mm angehoben
hatte. Der obere Dom hatte sich gelöst und hammerartig die Stange
bearbeitet. Das Ganze hat aber immerhin 9.000 km in diesem Zustand
gehalten, ohne Folgewirkung.
In der letzten Winterpause baute ich mein LED-Voltmeter zu einer
Uhr um. Es funktionierte sowieso nur die ersten 10.000 km
fehlerfrei, die Leuchtdioden bekamen wegen dem zu geringen Abstand
ständig Kontakt. Dazu benutzte ich einfach eine normale Armbanduhr
mit Quarzwerk und Knopfzelle. Über die eigenartigen Blicke, die
ich beim Abmessen mit Schieblehre der Uhren in den Geschäften
erntete, kam ich in Anbetracht des Ergebnisses schnell hinweg.
Trotz Unkenrufen (Hallo Thommy) blieben bisher alle Zeiger an der
Uhr (wieso Vibrationen, meine Guzzi läuft seidenweich), und die
kleine Batterie hält schon ein Jahr inklusive Winter. Die Batterie
einer Armbanduhr an der CX hielt übrigens sieben Jahre.
Im letzten Jahr wechselte ich bei Kilometerstand 93.000 das erste
Mal die Steuerkette mit Spanner, da ich bei konstantem Tempo auf
der Autobahn schwankende Drehzahlen feststellte. Außerdem hatte
der Motor einen schwankenden Leerlauf und ging manchmal aus. Das
hatte sich danach erledigt. Dabei stellte ich auch fest, daß der
Kupplungszug am unteren Ende ausfranste und ersetzte ihn
(Lebensdauer ca. 70.000 km). Gleichzeitig wechselte ich den
Ölwannenzwischenring gegen ein Exemplar mit hinten unter dem
Interferenzrohr gelegenem Ölfilter. Jetzt wechsele ich bei jedem
Ölwechsel den Filter gleich mit - macht ja keine Arbeit mehr.
Vorher machte ich das aus Faulheit nur jedes zweite Mal, weil ich
sonst im Jahr dreimal die Ölwanne hätte abschrauben können mit
allen Gefahren für die Gewinde. Da ich eine Öltemperaturanzeige
habe, kann ich auch relativ genaue Angaben über die Veränderungen
der Öltemperatur durch den Umbau machen. Es gibt gar keine. Dazu
muß ich sagen, daß mein Meßfühler in der Ecke Fahrtrichtung rechts
unten hinten sitzt, also etwas geschützt vor der Strömung in der
Ölwanne. Mein Motor hat im Normalfall zwischen 90° und 100° C, bei
der Mörderhitze letzten Sommer im Rheingraben bei Freiburg (38° C)
durften es auf der Autobahn auch mal 110°C sein. Das Meßgerät ist
von Veglia, der Fühler von VDO mit einem vorgeschalteten
Widerstand. Die Anzeigewerte dürften relativ genau sein, da ich
das Veglia-Instrument mit einem geeichten Bratenthermometer
(Eduscho: 19,98 DM; Temperaturbereich 0-200°C) abgeglichen habe.
Bei diesem Ölwechsel habe ich auch interessehalber mal einen der
handelsüblichen Teflonzusätze in Motor, Getriebe und Kardan
gegeben, um vielleicht auch einmal in den Genuß dieses
sagenumwobenen weichen Motorlaufs und Schaltapparates zu kommen.
Es brachte nicht viel, außer Kosten natürlich, eigentlich eher in
Richtung nix. Mit viel gutem Willen läßt sich vielleicht ein
mechanisch ruhigerer Leerlauf attestieren, aber auch das möchte
ich nicht beschwören. Schaltarbeit des Getriebes wurde auch nicht
spürbar besser, so fuhr ich weiter in der Hoffnung, mein Geld
wenigstens in Richtung Verschleißminderung angelegt zu haben.
Vielleicht braucht man auch nur mehr Gefühl zur Erfolgfindung,
aber wahrscheinlicher ist, daß jemand, der 150 DM investiert hat,
auch auf jeden Fall etwas Positives davon berichten will.
Kurz nach dem "Nullen" wechselte ich das Gabelöl - ja, ich weiß,
ich bin faul, aber was soll da groß verschleißen. Heraus kamen
etwa 100 ml pro Holm, ich füllte die vorgeschriebenen 75 ml ein.
Hier war dann mal ein Unterschied zu spüren. Entgegen der
allgemeinen Meinung, daß die Ölfüllmenge bei Guzzi keine
Auswirkung auf das Ansprechen der Gabel hat, sprach sie doch etwas
sanfter auf die Querhügel auf dem Mainzer Ring an, die nebenbei
gesagt, von der Größe doch eher in eine verkehrsberuhigte Zone
passen. Bei 107.000 km hat dann kurz vor dem Abmelden der vordere
Bremslichtschalter getillt und dabei mehrere Sicherungswechsel
nötig gemacht, bevor ich heraus hatte, woran es dann wirklich lag.
Ich baute in der Winterpause einen hydraulischen Schalter ein.
Kurz vor dem Abmelden wollte ich mit Hilfe eines Bekannten (Danke
Thomas) den Motor doch einmal mit Hilfe einer Lambdasonde und
entsprechender Technologie optimal bedüsen. Die erste “originale”
Probefahrt zeigte, daß der Motor in jedem Bereich zu fett lief.
Aber folgende Probefahrten mit teilweise bis zu 20 Punkten
heruntergesetzter Hauptdüse zeigten nur, daß sich meine Guzzi
beharrlich aller moderner Technik widersetzt. Das Meßgerät
reagierte kaum mit Veränderung. So machten wir schließlich das,
was ich eigentlich immer vermeiden wollte - ausprobieren. Da ich
nach dem Starten bisher fast sofort den Choke reinmachen konnte,
bin ich beim Leerlauf auf 65 gegangen. Die Hauptdüse ist auf 155
runtergesetzt worden. Was das im Endeffekt bringt, würde sich im
nächsten Jahr zeigen. Warum die Technik bei den Messungen nicht
ansprach, konnten wir leider nicht feststellen.
Jetzt, im letzten halben Jahr, zeigten sich beim Getriebe Macken,
die es vorher nicht hatte. Im warmen Zustand konnte ich manchmal
nicht in den ersten Gang hinunterschalten. Da mußte der zweite zum
Anfahren herhalten. Meine Vermutung war, daß sich die eine oder
andere Schaltgabel zu sehr abgenutzt hatte.
Der Kurbelwellensimmerring war auch schon wieder undicht und ab
und zu kam richtig Öl aus der Kurbelgehäuseentlüftung, vielleicht
ein Anzeichen erschlaffter Kolbenringe und dementsprechend zuviel
Druck im Kurbelgehäuse. Ölverbrauch war zum Schluß etwa 0,4
l/1.000 km. Für manche bestimmt nicht viel, aber mich störte das,
vor allen Dingen aber das immer wieder auftretende Ölpfützchen
unter dem Motor. Also frisch ans Werk: Zuerst kam die Kupplung
raus. Die Scheiben waren von der Stärke immer noch einbaufähig,
nur die hintere war inzwischen ziemlich ölig. Ich ersetzte sie.
Durchgerutscht ist sie allerdings nie. Innen- und Außenverzahnung
haben Druckspuren, aber nicht einmal einen Rand. Federn waren auch
noch alle heile und in der Längentoleranz.
Die Zylinderköpfe waren als nächstes dran. Die Brennräume waren
natürlich etwas verkokt. Das Auslaßventil rechts war bei der
Nitroprüfung leicht undicht. Auch zeigten beide Auslaßventile am
Schaft Schleifspuren von den Ablagerungen an der Ventilführung. Es
reichte einfaches Einschleifen. Die Brennräume und die Ventile
bekam ich mit Bohrmaschine und rotierender Messingbürste wieder
blank. Im Vergleich zu dem Honda CX Motor bei 50.000 km waren es
aber erstaunlich wenig Ablagerungen, die zudem leicht zu entfernen
waren. Vielleicht ein Effekt des offenen Luftfilters? Die
Kipphebelböcke zeigten ebenfalls kaum Verschleißspuren,
genausowenig wie die Wellen, die außer den Schleifspuren, an den
Stellen, wo die Federn laufen, nur Gebrauchsspuren zeigten. Ein
Kipphebel hatte Pitting, aber nicht so stark, daß man ihn hätte
austauschen müssen. Die Stößelstangen waren ok und die
Stößeltassen hatten ebenfalls null Laufspuren. Die Zylinder
zeigten sogar noch Hohnspuren. Der eine Zylinder zeigte
glücklicherweise nur unterhalb der Lauffläche einen Lunker. Am
oberen Totpunkt des Kolbens spürte man eine leichte Welle, aber es
war keine Beschädigung auszumachen. Also noch gut für die nächsten
100.000 km. Steuerkette und Spanner waren ja gerade ersetzt
worden. Die Nockenwelle hatte keine Laufspuren, weder an den
Nocken noch an den Lagerstellen. Von hinten konnte ich jetzt mit
einem selbstgebastelten Abzieher das hintere Kurbelwellenlager
abziehen. Auch dieses zeigte keinen nennenswerten Verschleiß.
Ebenso die Kurbelwelle und die Pleuellager. Die Lagerstellen waren
ohne Spuren, nur dort, wo der hintere große Kurbelwellensimmerring
läuft, waren Schleifspuren zu sehen. Beim Einbau mußte ich also
den Simmerring etwas tiefer einsetzen.
Zu diesem Zeitpunkt reifte in mir die fixe Idee, daß man die
Chance, die ein so weit geöffneter Motor darstellte, eigentlich
doch nicht ungenutzt verstreichen lassen sollte. Zufällig weilte
zu der Zeit gerade ein Freund von mir in Amerika, der nach
diversen Telefonaten auch herausbekam, woher man im Land ihres
Ursprungs Carillo Pleuel bekommt. 200 US $ kostet eines der guten
Stücke dort. Und damit sich das Ganze auch lohnt, bestellte er mir
auch gleich eine Corbin Sitzbank mit, die dort auch etwa 250 DM
weniger als hier kosten sollte. Kleiner Unsicherheitsfaktor: Für
die 1000 S gibt es original keine solche Sitzbank, also bestellte
ich “Gunfighter & Lady” für eine LM 2, die optisch mit meiner
Tank/Seitendeckel-Kombination übereinstimmt. Meine alte Sitzbank
war ohnehin etwas durchgesessen, und ich war am Überlegen, ob ich
sie neu polstern lassen sollte. Eine lange Zeit des ungeduldigen
Wartens begann, bis es endlich Mitte Februar soweit war, daß ich
die guten Stücke in den Händen halten konnte. Gleich hurtig das
Bündelchen geschnürt und das ganze Zeug zu Dynotec zum Bearbeiten
gegeben.
In der langen Wartezeit beschäftigte ich mich mit dem Getriebe.
Aber das hatte nicht viel Zweck. Beim Auseinandernehmen stellte
ich zwar einen recht guten Gesamtzustand fest, aber die vermutete
Ursache für die Schaltprobleme - die Gabeln - befanden sich
maßtechnisch und auch optisch auf Neuniveau. Etwas anderes konnte
ich nicht feststellen. Die Mitnehmer der Zahnräder waren auch noch
eckig, also auch hier nichts Offensichtliches. Da ich so also
nicht wußte, wo ich ansetzen sollte, außer vielleicht beim
Neuausdistanzieren (wofür mir allerdings die Erfahrung fehlt), und
es in diesem Falle alleine vom Arbeits- und Zeitaufwand besser
ist, das Objekt in die Hände von Fachleuten zu geben, entschloß
ich mich, Nägel mit Köpfen zu machen und das Getriebe ebenfalls
Dynotec zu überlassen. Einen Blick warf ich auch auf das
Kreuzgelenk, daß aber außer diesem auch nicht mehr an Zuwendung
bedurfte. Es (das Originale) ist immer noch in gutem Zustand.
Stefan Leiber von Dynotec war ganz fertig ob dem Zustand der
Teile, die ich ihm brachte. Gänzlich sprachlos (nicht
wortwörtlich, das gibt es bei ihm nicht) war er, als er hörte, daß
ich immer Shell Quattro benutze. Auch das Öffnen der
Schleuderbuchse in der Kurbelwelle brachte keine bösen
Überraschungen. Es war insgesamt nur etwa die Menge eines
Seltersflaschenverschlusses an Ablagerungen vorhanden, die recht
einfach zu entfernen war. “Normal” scheint eher die dreifache
Menge zu sein, was aber sehr auf die Fahrweise anzukommen scheint.
Bei zu viel Ablagerungen kann im Extremfall die Ölversorgung für
die Pleuellager abbrechen. Beachten sollte man hierbei, daß man
die Madenschraube in der Regel nur einmal benutzen kann, da sich
die Sicherungskörnung beim Rausdrehen durch das weiche Alugewinde
arbeitet. Diese Madenschrauben scheinen in Deutschland
ebenso wie die Kolbenringe (Original 88 mm) Seltenheitswert zu
besitzen, es bedurfte vieler Telefonate, bis sich welche in meinem
Besitz befanden.
Beim Verteiler hatte ich Spiel zwischen Welle und Antriebszahnrad
festgestellt und wollte eigentlich einen neuen Stift einsetzen.
Stefan meinte aber, daß einfaches Festkörnen des Stiftes reichen
würde. Aber ob das dem Leerlauf hilft, ist meiner Ansicht nach
fraglich, da die Verzahnung zwischen Verteiler und Nockenwelle
schon original einiges an Spiel aufweist. Da die Zündverstellung
zu meiner Zufriedenheit funktionierte, ließ ich die Verstellfedern
wie sie waren, denn es scheint verschiedene federbedingte
Zündverstellkurven zu geben, und ich war froh, ein gut
funktionierendes Paar zu haben. Nach ein paar Tagen konnte ich
alle Teile wieder abholen. Außer der Kurbelwelle mit Pleueln und
Kolben wurde auch die Kupplung gewuchtet. Das Vergleichsmessen
zwischen Carillo und Originalpleuel brachte tatsächlich einen
Gewichtsvorteil von 110 g pro Pleuel (501 zu 611 g). Die
Originalkolben hatten einen Gewichtsunterschied von 2 g, welcher
durch das Abschleifen auf das geringere Maß vereinheitlicht wurde.
Auch die Carillo Pleuel hatten einen Gewichtsunterschied von 0.5
g. Auch dieser wurde eliminiert.
Beim Getriebe hatte einfaches Ausdistanzieren gereicht.
Offensichtlich hatte mein damaliges “Ausdistanzieren” der
Höhenunterschiede der Lagerstellen im hinteren, ersetzten
Gehäusedeckel, das durch den Ruckdämpferfederbruch bei km 36.000
nötig war, doch nicht ganz ausgereicht. Allerdings konnte ich doch
immerhin 70.000 km gut so herumfahren. Sogar ein Händler äußerte
sich nach einer Probefahrt erstaunt über dieses gut zu schaltende
Getriebe. Präventiv wurden auch das hoch belastete Eingangslager
und die Schaltfeder gewechselt. Gerd von Dynotec machte mich auch
noch auf beginnendes Pitting am Zahnrad des dritten Ganges
aufmerksam. Recht ungewöhnlich, das tritt eher am fünften Gang,
dem Fahrgang, auf. Aber nichtsdestotrotz dumm, eigentlich sogar
dümmer, da der dritte Gang fest auf der Primärwelle sitzt, und
somit im Falle des Falles die komplette Welle getauscht werden
müßte, was finanziell dann mit einem halben Tausender zu Buche
schlägt. Aber bis dahin dürften bei mir noch viele Kilometer den
Tacho durchlaufen.
Das Ganze nach Hause geschafft und den nächsten Sonntag mal
komplett freigehalten und den ganzen Motor wieder zusammengebaut.
Ging alles problemlos, alles paßte und kein Gewinde zerstört. An
einem Sonntag Anfang März kam der Motor mit Sonjas Hilfe wieder in
den Rahmen. Leider mußte ich nach dem Zerlegen des Verteilers die
Zündung wieder neu einstellen, das dauerte fast nocheinmal so
lange wie der Rest der Schrauberei, vor allen Dingen bis ich
heraus hatte, daß direkter Lichteinfall den Zündzeitpunkt immer
wieder verfälscht. (Die Piranhazündung arbeitet mit Lichtschranken
anstatt Unterbrecherkontakten. Die Red.) Danach ging ich zum
Einstellen in die Garage. Aber einmal richtig gemacht, ist damit
erst einmal Ruhe. Aber dann, die erste Umdrehung und sie lief auf
Schlag wieder los. Auch die ersten 400 Testkilometer verliefen
ohne einen Zwischenfall. Die nächste Zeit bis zur Ostertour
verbrachte ich mit dem Anpassen der Corbin Sitzbank. Der lange
Leidensweg des Motorradbesitzers, dem leider nur ein
Tiefgaragenplatz zur Verfügung steht, begann: Sitzbank in
Tiefgarage anpassen, Tiefgarage raus übern Hof, Haus runter in
Keller, etwas sägen und feilen im Schraubstock, Keller raus, Hof,
Tiefgarage und das Ganze von vorne. Aber das Endergebnis paßte
schließlich wie angegossen. Die Sitzbankunterschale ist zum Glück
aus GFK, da konnte ich auch vorsichtig Gewinde reinschneiden zum
Fixieren der Auflagegummis. So niedrig wie sie aussieht, ist sie
gar nicht. Die befürchtete Reduzierung der Sitzhöhe ist nicht
eingetreten. Dafür hat sich auf einer ersten Probefahrt mit Sonja
als Sozia gezeigt, daß sie jetzt erheblich komfortabler sitzt, da
sie mir jetzt ganz entspannt über die Schulter sehen kann. Auch
für mich als Beifahrer hat sie Vorteile, da sie den Kniewinkel
reduziert.
Aufgrund der blendenden Wetteraussichten für Ostern entschloß ich
mich auch noch kurzfristig, die SP 1000-Verkleidung, die ich von
einem Freund eingetauscht hatte, anzupassen. Der Leidensweg (siehe
oben) begann wieder, aber auch hier war nach einer Woche
Abendarbeit mit Taschenlampeneinsatz schließlich das Oberteil fest
an die Lampenhalterung angebunden. Die oberen Befestigungspunkte
der SP sitzen ja leider in der oberen Gabelbrücke, damit ist die
Originalbefestigung nicht zu gebrauchen, außer dem unteren
Gabelbrückenpunkt. Bei den ersten Fahrten in diesem Jahr war ich
auch nicht so recht zufrieden mit dem Ansprechverhalten bei 3.000
U/min, wo sie immer noch einen Moment zögerte. Mein ganzes
bisheriges Wissen ins Spiel bringend, setzte ich die Düsennadel
eine Kerbe höher, und es funktionierte tatsächlich. Hach, welch
ein Erfolg!
Nun, nach der ganzen Bastelei der Lohn für
die ganze Mühe. Die erste lange Tour über Ostern mit einem
Freund nach Südfrankreich. Dort bekamen wir nicht einmal an der
Ardeche die Sonne zu sehen und fuhren suchend weiter nach Süden
in die Carmague. Dort kam zu dem schlechten Wetter noch
ständiger Wind, so daß wir uns entschlossen, doch lieber
windstiller an der Ardeche zu campieren. Aber welch Irrtum, drei
Tage standen wir den Mistral durch, einen starken Wind im
Rhonetal zum Meer hin, bevor wir wieder gen Heimat fuhren. Das
Ganze spielte sich bei Temperaturen von maximal 10° C ab, und
ich war richtig froh wegen der Verkleidung. Man merkt selbst 160
km/h kaum und ist wunderbar windgeschützt. Auch die
Corbin-Sitzbank hat sich bewährt. Nach langen Fahrtagen gab es
nie Sitzfleischstreß.
Das Motorrad lief dabei ohne Probleme. Einen Einfluß von den
Carillo Pleueln kann ich nicht feststellen, so daß ich nur die
Gewißheit habe, meinem Motor durch die Erleichterung der
oszillierenden Massen etwas Gutes getan zu haben. Der Motor dreht
vielleicht ab 5.000 U/min etwas geschmeidiger hoch, aber um das zu
beurteilen, fehlt mir der direkte Vorher-Nachher Vergleich.
Auffällig ist aber, daß die feinen Vibrationen in den Lenkerenden
zugenommen haben. Der Ölverbrauch ist wieder auf einem nicht
meßbaren Level, und der Motor ist auch dicht. Etwas verwundert
hatte mich zuerst der Anstieg meiner Öltemperatur, die bei
normaler Überlandfahrt um etwa 5° gegenüber früher angestiegen
war. Ein Gespräch mit Stefan Leiber bestätigte meine Vermutung,
daß dieses mit dem Umbau auf ein nach oben abblasendes
Überdruckventil in der Ölwanne zu tun hat. Dieses bläst das Öl nun
gegen die Kolbenböden, nimmt die Wärme auf und erhöht damit die
Öltemperatur in der Ölwanne. Ein gewünschter Effekt, denn kühlere
Kolben sind gut für kontrolliertere und damit effektivere
Verbrennung. Dazu kommt wahrscheinlich auch die reduzierte Kühlung
durch das nicht mehr so aufgeschäumte Öl. Für diese ganze Theorie
spricht auch, daß bei langsamerer Fahrt die Öltemperatur auf dem
alten Niveau bleibt, da spricht das Überdruckventil noch nicht an.
Auch das Getriebe machte sich, nachdem ich zuerst doch etwas
enttäuscht war wegen dem etwas teigigen und schweren Schalten.
Aber auf den letzten 6.000 km hat sich das Ganze eingefahren.
Offensichtlich brauchte das erst einmal wieder eine Einfahrphase.
Inzwischen bin ich jedenfalls ganz zufrieden, es ging auch bisher
immer wieder problemlos in den ersten Gang hinunter. Der einzige
Ausfall auf den ersten Kilometern dieses Jahres war die
Tachowelle, die ja den Ursprung in einem spanischen Sanglaswerk
(siehe Motalia Nr. 11+12/94) hatte und sich irgendwann überlebt
hatte. Sie hielt immerhin fast 35.000 km. Die Drehzahlmesserwelle
hält übrigens schon seit 55.000 km, seit sie im freien Schwung
außen am Rahmen vorbeiläuft. Den Lenkungsdämpfer habe ich mehr aus
optischen Gründen getauscht, da die Chromschicht der Stange zu
einer festen Rostschicht mutiert war. Fahrtechnisch stelle ich
keinen großen Unterschied fest, vielleicht bin ich ja auch einfach
zu langsam. Der Durchschnittsverbrauch bewegt sich weiter bei ca.
4,9 l/100 km, wobei ich jetzt wegen der kleineren Leerlaufdüsen
etwas länger den Choke benötige, dafür läuft sie im warmen Zustand
aber nicht mehr so fett. Alles in allem hat sich die ganze Aktion
also gelohnt. Meine Reifen halten etwa 20.000 km vorne und 10.000
bis 15.000 km hinten, wobei ich zur Zeit die Paarung MT09/MT28
wegen des günstigsten Preises bevorzuge. Sie reichen für den
Normalgebrauch vollkommen aus, wovon ich sogar schon
Battlax-letzte-Rille-Fahrer im direkten Fahrvergleich überzeugen
konnte. Nachdem ich ein neues Lenkkopflager und einen neuen
Hinterreifen montiert hatte, bekam ich sogar wieder die
zweijährige Seeligsprechung in den heiligen Hallen der Sekte der
Tüv'ler. Mit anderen Worten, ich bin voll zufrieden und will
hoffen, daß das auch so bleibt, denn dieses Jahr steht eine lange
Tour nach Sizilien und Süditalien an, und auch dann habe ich keine
Lust zum Schrauben.
Eric
July 1996